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"Effizienter" Ehrenrat

■ Akademie der Künste: Präsident Walter Jens hält Ehrenrat für akzeptablen Kompromiß / Diepgen revidiert Position

taz: Herr Jens, die Akademie der Künste hat einen Ehrenrat zur Klärung von Stasi-Vorwürfen gegen einzelne ihrer Mitglieder eingerichtet. Ein, wie Sie sagen, bedeutsames Kompromißangebot. Welche Position haben Sie denn aufgegeben?

Jens: Die Position, daß in einem langen und schwierigen Prozeß Mitglieder, die sich unwürdig verhalten, vielleicht einmal mit Zweidrittelmehrheit verabschiedet werden. Jetzt geht es rasch und effizient, schneller und pragmatischer.

Welches Entgegenkommen verlangen Sie dafür von der Gegenseite, von der Berliner CDU?

Ich kann kein Entgegenkommen erwarten, das ist kein Deal. Wir haben unsere Position deutlich gemacht. Selbstverständlich hoffe ich, daß die Berliner CDU sich in gleicher Weise großzügig zeigt und den Staatsvertrag mit der gleichen Verve wie Brandenburg unterzeichnet.

Der Regierende Bürgermeister hat noch letzte Woche einer freiwilligen Gauck-Überprüfung das Wort geredet. Hat er dies auch am Wochenende gegenüber den Akademiemitgliedern getan?

Überhaupt nicht. Er hat gesagt, für uns gelten natürlich andere Regelungen als für Polizei und Justiz. Ich glaube, daß unsere Argumente ihn überzeugt haben, daß in einer Akademie, wo es keinen Vorgesetzten und keine Dienstpflichten gibt, eine Überprüfung durch die Gauck-Behörde nicht angezeigt ist. Der Präsident allerdings wird sich der Überprüfung mit Entschiedenheit und Freude unterziehen.

Wie kann der Ehrenrat die Stasi-Tätigkeit von Mitgliedern würdigen, wenn völlig unklar ist, wie er davon Kenntnis erhält?

Die Erfahrung zeigt, es kommt in kürzerer oder längerer Zeit alles ans Licht. Sollte sich zwei Jahre lang noch ein Maulwurf unentdeckt halten, so werden die dreihundert Mitglieder auch mit diesem Maufwurf fertig werden.

Ist durch die Einsetzung des Ehrenrates der Weg geebnet, auf dem die ausgetretenen Mitglieder ihren Weg zurückfinden können?

Nicht heute und nicht morgen, aber übermorgen schon. Wobei ich nicht nur an die Rückkehr der bildenden Künstler, sondern auch an die Rückkehr meines Vorvorgängers Günter Grass denke.

Werden sich dadurch auch Ihre Kritiker in den Reihen der DDR- Dissidenten überzeugen lassen?

Ich glaube nicht. Da sehe ich wenig Chancen. Wenn ich mir ansehe, was auch gegen uns gesagt worden ist, denke ich, das wird nicht so schnell gehen. Auf jeden Fall werden wir uns irgendwelchen Tribunalen, Schauprozessen, bei denen Mitglieder beleidigt, verhöhnt, belächelt werden, nicht mehr stellen. Ein stilles Gespräch am runden Tisch, aber ohne Mauscheleien sehr gern. Aber das ist es auch. Interview: Dieter Rulff

Siehe Bericht Seiten 2 und 23

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