: Reichstag ohne Glasdach
■ Bundestags-Baukommission votiert für Entwurf Fosters / Architekt verzichtet auf Riesendach seines ersten Entwurfs
Der Reichstag wird kein modernes „Gesicht“ erhalten. Nach der Entscheidung der Bau- und Konzeptkommission des Bundestages soll das einstige Symbol des Wilheminismus nach dem überarbeiteten Wettbewerbsentwurf von Norman Foster (London) umgebaut werden. Fosters Konkurrenten, die Architekten Santiago Calatrava (Zürich) und Pi de Bruijn (Amsterdam) gingen beide leer aus. Calatravas fragiles Kuppelskelett und de Bruijns angedockte Erweiterungen erwiesen sich als „zu teure Lösungen“, wie der Berliner Bundestagsabgeordnete Jürgen Starnick der taz mitteilte.
Fosters neue Pläne beruhen auf einer erheblichen Veränderung der ursprünglichen Idee. Sowohl das überspannende Riesendach („Baldachin“) als auch das zum Westeingang ansteigende Terrain fehlen in der neuen Version. Starnick: „Der Reichstag bleibt in seiner äußerlichen Gestalt fast gänzlich in seiner jetzigen Form bestehen.“ Der monumentale Sockel und die stumpfen Seitentürme würden nicht umgebaut. Lediglich die Erschließungen der Ost-, Nord- und Südseite sollten durch Treppenanlagen verändert werden. Fosters Vorschlag sehe zudem vor, dem Koloß „ein viertes, leicht zurückversetztes Geschoß“ aufzusetzen, sagte Starnick.
Im Unterschied zur „Außenhaut“ vollzieht das „Innenleben“ des Reichstags die Zäsur von der preußischen Tradition zur Moderne. Selbst von den Umbauten Paul Baumgartens (1961) „wird wenig bleiben“, erläuterte Peter Conradi, Mitglied der Baukommission. Die erste Etage reservierte Foster ganz für die Erschließung und den nun nach Osten ausgerichteten Plenarsaal. Conradi: „Über den Plenarsaal legt der Architekt ein Reststück seines gläsernen Baldachins, der als Oberlicht Helligkeit und Transparenz in den Raum bringen soll.“ Diese „einfache und bescheidene Lösung“, betonte Conradi, habe zwar von der „großen Idee“ wenig gelassen. Für die Belange eines Arbeitsparlaments indessen genügten die Umbauten. Die Mehrheit der Kommission (13:2) habe sich mit dem Entwurf zufrieden gezeigt. Conradi übte zugleich Selbstkritik an dem Wettbewerbsverfahren. Die Mängel der Auslobung hatten erst durch das reduzierte „Programm“ der Parlamentarier und die Diskussionen mit den Architekten ausgeräumt werden können.
Von dem Entwurf überzeugt zeigte sich auch Barbara Jakubeit, Präsidentin der Bundesbaudirektion. Vorbehaltlich der Empfehlung des Ältestenrates wäre der Foster-Entwurf „die hervorragendste Lösung“, sagte sie. Jakubeit mahnte: Für die Realisierung des rund 300 Millionen Mark teuren Umbaus sei es nun nötig, daß in Berlin „schnell“ die Gründung einer Baugesellschaft initiiert werde. Nur so könne der Zeitplan zum Umbau (Fertigstellung 1997) eingehalten werden. In Berlin freut sich derweil Stadtentwicklungssenator Hassemer. Durch seine Pressesprecherin ließ er ausrichten, daß die „sparsame Version“ und der zurückhaltende Umgang mit dem Wallot-Bau schon immer seine Wünsche gewesen seien. Im Siegestaumel mochte der Senator selbst von der Kuppel nicht mehr reden. Rolf Lautenschläger
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