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Von Kroatien nach Pakistan

■ Zagreb löst muslimische Flüchtlingslager an der Adria auf

Berlin (taz) – Seit Tagen wird in Zentralbosnien mit einer neuen Großoffensive der kroatischen Truppen gegen die Muslime gerechnet, seit Tagen ist die kroatische Regierung dabei, nach Kroatien geflüchtete Muslime loszuwerden: Ihre Behörden lösen Flüchtlingslager entlang der dalmatinischen Küste auf und schieben Frauen und Kinder per Flugzeug nach Pakistan ab. Meist in den Abendstunden, so berichten muslimische Flüchtlinge, kommen kroatische Emissäre, die kurzerhand erklären, aus wirtschaftlichen Gründen seien die Campingplätze und Hotels in dem ehemals so beliebten Feriengebiet zu räumen.

Im dem südlich von Split gelegenen Lager Promajna gaben die Kroaten den Flüchtlingen zunächst nur eine Nacht Zeit für die „Entscheidung“ über ihren zukünftigen Aufenthaltsort: Zur „Auswahl“ standen das ostslawonische Bilje sowie das pakistanische Peschawar. Den Flüchtlingen im Lager Makarska wurde die Adriainsel Otok angeboten. Dabei wußten die kroatischen Behörden genau, daß sie durch diese Alternativen, die Flüchtlinge am schnellsten los werden würden. Der kleine Ort Bilje, neun Kilometer nördlich von Osijek, liegt direkt an der Demarkationslinie in der von serbischen Truppen besetzten Gegend von Vukovar, die Adriainsel Otok Mladosti galt in den fünfziger Jahren als kommunistisches „Umerziehungslager“ für politische Gefangene, außer Gefängnisanlagen gibt es dort weder Vegetation noch Wasser. Mit Pakistan hat die bosnische Regierung – ebenso wie mit zahlreichen anderen Staaten – ein Abkommen über die Aufnahme von Flüchtlingen geschlossen, 7.000 „Plätze“ stehen dort zur Verfügung. Insgesamt könnten von der derzeitigen Abschiebeaktion rund 10.000 von insgesamt 300.000 bosnischen Flüchtlingen in Kroatien betroffen sein. Sie alle leben in Ferieneinrichtungen, die als serbisches Eigentum vom kroatischen Staat beschlagnahmt wurden und nun verkauft werden sollen.

Formal hält sich die kroatische Regierung mit ihrer Aktion an die Regeln der Genfer Flüchtlingskonvention. Danach müssen Flüchtlinge innerhalb 24 Stunden ihren Aufhaltsort wechseln, wenn das Gastgeberland dies als notwendig erachtet. Zugleich setzten die Behörden die Flüchtlinge jedoch unter starken Druck. Gedroht wird mit dem Verlust des Flüchtlingsstatus, den Frauen wird nicht genug Zeit gegeben, um sich mit ihren in Bosnien gebliebenen Männern zu beraten.

Doch während es den kroatischen Behörden noch am Freitag gelang, 550 von insgesamt 600 Menschen aus Promajna abzuschieben, regt sich inzwischen Widerstand. Obwohl selbst die bosnische Botschaft in Kroatien angesichts fehlender Aufnahmeangebote in Westeuropa zur Ausreise nach Pakistan rät, wollen sich die rund 460 Flüchtlinge bei Zivogosce gegen eine Räumung wehren. Ein Ultimatum der kroatischen Behörden, das die Schließung des Lagers für Mittwoch nachmittag vorsah, sollte auf Beschluß des Lagerkomitees nicht eingehalten werden: „Eher gehen wir zu Fuß nach Sarajevo“. Ob der auch vom Deutschen Mennonitischen Friedenskomitee unterstützte „gewaltfreie Widerstand“ die kroatischen Behörden von weiteren Räumungen abhalten wird, ist jedoch fraglich. Einen ersten Erfolg konnten die Flüchtlinge allerdings für sich verbuchen: Der Räumungstertimn wurde für fünf Tage verschoben. Die deutschen Helfer bitten nun nicht nur um Spenden, verstärkt werden sollen auch die Initiativen zur weiteren Aufnahme der Kriegsflüchtlinge in Deutschland. (Kontakttelefon: 06223-47791). Ger/her

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