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Ob lesbisch oder hetero – für die Kinder zählt eine gute Partnerschaft

Wissenschaftliche Untersuchungen über Kinder von lesbischen Müttern oder schwulen Vätern in den USA widerlegen alte Vorurteile  ■ Von Andreas Köpke

Amerikas PsychologInnen und PädagogInnen müssen umlernen. Bislang sind sie wie viele JuristInnen und PolitikerInnen ungeprüft davon ausgegangen, daß die Homosexualität der Eltern oder eines Elternteils eine schwere Belastung für die emotionale Entwicklung von Kindern darstelle. Eine Reihe neuerer wissenschaftlicher Untersuchungen stellt dies jedoch in Frage.

So ergab eine Studie der Universität von Virginia, daß Kinder, die von lesbischen Paaren großgezogen werden, in der Regel besser in der Lage sind, ihre Gefühle auszudrücken und emotional stabiler sind als Kinder aus „normalen“ Familien. VertreterInnen von Lesben- und Schwulenorganisationen erhoffen sich nun von dieser Studie argumentative Unterstützung bei Sorgerechtsprozessen oder im Falle von Adoptionen.

Gerichtliche Auseinandersetzungen über das Sorgerecht von Lesben und Schwulen für Kinder spielen in den Vereinigten Staaten eine immer größere Rolle. In Scheidungsverfahren sind sie ein beliebtes Argument zur Diffamierung trennungswilliger Lebenspartner. Aber auch in Adoptionsverfahren spielt die sexuelle Orientierung der zukünftigen Eltern eine große Rolle. Erst kürzlich entschied ein Gericht im Bundesstaat Wisconsin im Falle eines lesbischen Paares, das ein Kind adoptieren wollte, daß die Adoption zwar im besten Interesse des Kindes sei, aber aufgrund des traditionellen Familienbegriffs könne ein lesbisches Paar keine Kinder adoptieren. Zwei Frauen und ein Kind: in der Vorstellung der meisten Juristen kann das keine Familie sein.

Daß es auch anders geht, bewies Mitte April ein New Yorker Gericht. Es wies die Sorgerechtsklage eines Samenspenders ab, der elf Jahre nach der Geburt des Kindes verhindern wollte, daß es weiterhin von seiner lesbischen Mutter und deren Lebensgefährtin großgezogen werde. Die Trennung von der Mutter, so das Gericht, sei belastender für das Kind als die ungewöhnliche Familiensituation. Auch in Europa gibt es erste positive Entscheidungen. So bekam im britischen Hamshire ein lesbisches Paar vor kurzem das Recht zugesprochen, Pflegekinder aufzunehmen.

Schätzungen gehen davon aus, daß in den USA zwischen sechs und 14 Millionen Kinder in rund vier Millionen Familien mit homosexuellen Eltern aufwachsen. Von der Öffentlichkeit würden diese allerdings meistens nicht wahrgenommen. Nur selten seien Außenstehende über die realen Familienverhältnisse informiert und oft würden auch die Kinder erst als Heranwachsende von der Homosexualität des Vaters oder der Mutter erfahren.

Die meisten schwulen und lesbischen Eltern verheimlichen aus Furcht vor Nachteilen für ihre Kinder die eigene sexuelle Orientierung, berichtet der Internationale Verband für schwule und lesbische Eltern in Washington. Dennoch hat die Organisation 40 Ortsgruppen in den USA und Kanada. Weitere 100 unabhängige regionale Selbsthilfegruppen ermöglichen homosexuellen Eltern Erfahrungsaustausch und Unterstützung in Konfliktfällen.

Nur wenige Kinder mit homosexuellen Eltern sind ein Produkt des Kinderwunsches schwuler Männer und lesbischer Frauen, die zur Zeugung von Nachkommen ein Zweckbündnis geschlossen haben. Die meisten entstammen heterosexuellen Beziehungen, in denen ein Elternteil erst nach der Eheschließung seine gleichgeschlechtliche Orientierung entdeckte. Die Zahl der von Lesben und Schwulen adoptierten Kinder wächst aber, seit in einigen US-Bundesstaaten Adoptionen erleichtert wurden.

Adoptionsrecht für Lesben und Schwule eingeführt

In New York wurde bereits Anfang der 80er Jahre ein Adoptionsrecht für Lesben und Schwule eingeführt, das sich zunächst allerdings nur auf lesbische und schwule Jugendliche beschränkte. Im Lauf der 80er Jahre konnten Lesben und Schwule dann auch in Bundesstaaten wie Kalifornien Kinder adoptieren.

In der öffentlichen Diskussion ist das Sorgerecht für Lesben und Schwule allerdings weiterhin stark umstritten. Juristen argumentieren in Sorgerechtsprozessen häufig, daß die emotionale und sexuelle Entwicklung von Kindern gefährdet sei, wenn sie von homosexuellen Eltern großgezogen würden. Sie stützen sich dabei auf Einzelfall-Untersuchungen aus den fünfziger Jahren, die an verwahrlosten Kindern vorgenommen wurden. Allerdings wurde bei diesen erst im Verlauf der Untersuchung festgestellt, daß ein oder beide Elternteile homosexuell sind. Die Aussagekraft dieser Untersuchungen ist deshalb in den letzten Jahren von verschiedenen Studien gründlich in Frage gestellt worden, denn nicht-„verwahrloste“ Jugendliche mit homosexuellen Eltern wurden seinerzeit gar nicht erfaßt. Mittlerweile sind diese Studien quasi regierungsamtlich ad acta gelegt worden.

„Kinder, die von schwulen oder lesbischen Eltern aufgezogen wurden, weisen in ihrer Entwicklung oder in ihrer emotionalen Verfassung keine spezifischen Defizite auf“, ist die Erkenntnis von Dr. Michael E. Lamb, dem zuständigen Abteilungsleiter im National Institute of Child Health and Human Development. Er kann diese Erkenntnis mit zahlreichen Studien untermauern.

So untersuchte die klinische Psychologin Dr. Julie Gottman in Seattle zwei Vergleichsgruppen mit jeweils 35 Frauen um die 25 Jahre. Die Mädchen der einen Gruppe waren in heterosexuellen Familien aufgewachsen, die anderen nach einer Scheidung bei ihren lesbischen Müttern. Beide Gruppen unterschieden sich hinsichtlich der emotionalen Stabilität, der Selbstsicherheit und der geschlechtlichen Identität der untersuchten Frauen in keinster Weise voneinander. Mädchen, die von lesbischen Frauen erzogen worden waren, fühlten sich auch nicht stärker zum eigenen Geschlecht hingezogen, als Mädchen mit dem traditionellen Mutter-Vater-Hintergrund. Entscheidend für die Entwicklung der Kinder war nicht das Geschlecht des Partners ihrer Mutter sondern die Qualität dieser Beziehung. Mädchen, deren engste Bezugspersonen eine glückliche Beziehung führten, wuchsen in beiden Gruppen zu den zufriedeneren und selbstbewußteren Frauen heran.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch Charlotte Patterson, eine Psychologin an der Universität Virginia. Sie untersuchte in der Gegend um San Francisco 37 Kinder, die von lesbischen Müttern erzogen wurden und kam zu dem überraschenden Resultat, daß diese Kinder sich durch eine besondere emotionale Stabilität auszeichneten.

Probleme sieht Charlotte Patterson in der Pubertät auf diese Kinder zukommen. In einem Lebensabschnitt, in dem Jugendliche so sein wollen, wie alle anderen, dürfte die Homosexualität der Eltern die Kinder insbesondere belasten, wenn diese im persönlichen Umfeld des Kindes bekannt sei. Aufgrund der größeren emotionalen Stabilität könnten die Kinder dies aber verkraften, schreibt Patterson in ihrer Studie. Da die Eltern aufgrund eigener Erfahrung gelernt hätten, mit negativer Stigmatisierung umzugehen, könnten sie ihre Kinder darauf vorbereiten und ihnen emotionalen Halt geben.

Diskriminierung droht vor allem an den Schulen. Zum einen verhindern streng religiöse Eltern überall in den USA eine vorurteilsfreie Darstellung von Homosexualität an den Schulen. Zum anderen haben auch die meisten LehrerInnen überaus konventionelle Rollenvorstellungen, wie eine New Yorker Untersuchung über homosexuelle Eltern, ihre Kinder und deren heterosexuelle Lehrer ergab. Eine Stigmatisierung der Kinder von Lesben und Schwulen verhindern diese LehrerInnen oft nicht. Da hilft es den Kindern nur wenig, daß ihre Eltern sie unterstützen.

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