: Konsum gepredigt
■ Elektro-Kette „Media-Markt“ wirbt mit Bibelsprüchen / Kirchen protestieren Von Ulrike Winkelmann
Seit Wochen mahnt uns ein schmieriger Schnauzbart von den Plakatwänden herab: Wir sollen uns nicht am Gelde versündigen und deshalb beim Media-Markt einkaufen. Auch im Hörfunk-Werbeblock verkündete eine hallende Stimme die moralische Verpflichtung, in Scharen zum Elektroriesen zu strömen. Doch offensichtlich hat das biblische Vokabular im Sektenpredigerstil Anstoß erregt. Die Plakate sind überklebt, die Spots im Radio kommen nicht mehr.
Beim „Zentralausschuß der Werbewirtschaft“ (ZAW) in Bonn, bestehend aus Werbemenschen, die kritisch über ihre eigene Branche zu wachen behaupten, sind in der Tat haufenweise Beschwerden von Privatpersonen und Kirchen eingegangen. Beklagt wurde hauptsächlich die Verletzung religiöser Gefühle, bis hin zum Vorwurf der Gotteslästerung.
Der ZAW befand, daß „die Grenzen des allgemeinen Anstands verletzt“ seien, so ZAW-Sprecher Albrecht, und forderte den Media-Markt auf, die Katechismus-Kampagne einzustellen. Die Werbeabteilung des Hifi-Konzerns ist von soviel Religiösität überrascht, dachte man doch dort bloß, eine originelle Idee gehabt zu haben. „Vielleicht war es Unsensibilität, wohl tatsächlich ein Patzer“, sinniert Werbechef Jacob aus München, „aber zu dem Satz „Nehmet viel und gebet wenig“ stehen wir.“
Natürlich habe man die Beschwerden dennoch ernst genommen und deshalb letzte Woche die Überklebaktion gestartet. Auf den Plakaten steht nun: „Liebe Gemeinde! Mit großem Bedauern haben wir hören müssen, daß manchem von Euch unsere Worte 'ein Dorn im Auge' (4.Mos. 33,55) sind und unser Anliegen mißverstanden wurde.“ Schließlich stecke unsere Sprache voller Bibelzitate, und überhaupt wasche man seine „Hände in Unschuld“ (5.Mos.21). „Wir bereuen alles, nur nicht die kleinen Preise.“
Beim ZAW regt sich jetzt der Verdacht, daß dieser Text weniger ein Rückzieher als vielmehr eine Überspitzung sei, man hält ihn zumindest für „mißglückt“. Da der ganze Werbefeldzug aber ohnehin jetzt ausläuft, wäre eine weitere Kommentierung sinnlos, so Albrecht.
Media-Werbeleiter Jacob beteuert: „Auf keinen Fall wollten wir noch einen oben drauf setzen, wir wollten bloß die Leute beruhigen. Schließlich sollen die unsere Kundschaft werden.“ Einen geheimen Sinn gebe es weder hinter dem Werbegag, noch sei der Überkleber etwa doppelbödig gemeint.
Der Pressesprecher der evangelischen Kirche in Hamburg, Karl-Günther Petters, ist skeptisch: „Biblische Sprüche eignen sich generell nicht für kommerzielle Werbung, wir finden ihre Verwendung nicht in Ordnung.“ Als Werbung in eigener Sache sieht er das Plakatwand-als-Kanzel-Konzept jedenfalls nicht.
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