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: Der Feind in meinem Kopf

„Der Freund als Feind“, Di., 21.30 Uhr, arte

Der Feind ist nicht in meinem Bett, sondern in meinem Kopf. Im Bemühen, die Wirkung von Torsten Preuß' und Beate Frenkels Stasi-Doku „Der Freund als Feind“ zu beschreiben, stoße ich im hinteren Winkel meines Hirnkastens auf Widerstände, die „man“ eigentlich nicht haben dürfte. Neben dem Pflichteingeständnis, daß lückenlose Aufklärung und Enttarnung aller Stasi- Aktivitäten notwendig sind, regt sich ein Überdruß nach dem Motto: Jetzt reicht's langsam, „wir“ haben ja begriffen, daß das eine üble Kiste war mit der Stasi, aber jetzt legt mal eine andere Platte auf.

Diese Haltung ist gewiß moralisch verwerflich, und so muß ich mich fragen: Was wird hier von mir verdrängt?

Jetzt rattern die Assoziationen weiter, mein mentaler Fernseher zeigt Bilder: Als sich im November 1989 die Grenzen öffneten, war der erste euphorische Wiedervereinigungs-Impuls (von westlicher Seite her) ein narzißtischer: Was man in den Augen des Ossis zu sehen begehrte, war die bestätigende Anerkennung jener „freiheitlichen“ Überlegenheit, mit der man sich als Wessi identifizierte. Auf diesem Umweg artikulierte sich endlich ein westdeutsches „Wir“-Gefühl. Es kam rasch anders.

Der Ossi als Spiegel, in dem der Wessi sich gebauchpinselt fühlt, wandelte sich nach Bekanntwerden der Stasi-Geschichte plötzlich zum Zerrspiegel. Als Wessi will man von den endlosen Stasi-Schlammschlachten nichts wissen: weil sich hier eine unverträgliche Wahrheit offenbart, die so intimer Bestandteil unseres ureigenen sozialen Umgangs ist, daß wir sie nicht einmal sprachlich reflektieren können und wollen.

Wenn ich die Stasi-Tragödien sehe, die Preuß und Frenkel treffend mit „Der Freund als Feind“ auf den Punkt gebracht haben, so bin ich berührt: weil ich nicht verleugnen kann, daß ich von kleinauf dazu erzogen bin, erst gar niemandem so weit zu vertrauen, daß er mich wie Manfred Ibrahim Böhme jahrelang verraten kann; ich nehme von Fremden keine Bonbons und sage nie alles, was ich denke, auch mir selbst nicht.

Über seinen dokumentierenden Charakter hinaus läßt der Film insofern erahnen, daß sich im Ministerium für Staatssicherheit strukturell gesehen eine Art mentale Nabelschnur zwischen Ost und West offenbart. Manfred Riepe