Eine Zustimmung der Bosnier ist unwahrscheinlich

■ Der Owen-Stoltenberg-Teilungsplan sieht nur 30 Prozent der ex-jugoslawischen Republik für die Muslime vor: Über eine Million Bosnier würden heimatlos bleiben

Die Aussicht, daß der bosnische Präsident Alija Izetbegović heute in einer Woche mit einem „Ja“ seines Parlaments zu dem ihm von den Vermittlern von EG und UNO, David Owen und Thorvald Stoltenberg vorgelegten Abkommen nach Genf zurückkehrt, ist sehr gering. Darauf lassen Äußerungen aus der Genfer Delegation von Izetbegović schließen, die am Wochenende nach fast vierwöchigem Aufenthalt in der UNO-Stadt nach Sarajevo zurückflog. Die beiden Vermittler begaben sich inzwischen nach New York, um die Unterstützung des UNO-Sicherheitsrates für das Abkommen sicherzustellen, mit dem die gewaltsame Zerschlagung des UNO-Mitgliedes Bosnien-Herzegowina endgültig besiegelt werden soll.

Im Laufe der Woche will Owen auch die zwölf EG-Außenminister treffen und sich ihrer Zustimmung versichern. Bosniens Außenminister Silajdžić nannte das Abkommen vor dem Abflug nach Sarajevo ein „Ultimatum“ und ein „unakzeptables Diktat“. Andere Mitglieder der Delegation, insbesondere die darin vertretenen Oppositionspolitiker, äußerten sich noch drastischer. In einer schriftlichen Erklärung von Izetbegović heißt es: „Wir sind nicht zufrieden mit diesem Angebot.“ Das Abkommen belasse den bosnischen Serben „gewaltsam eroberte“ und „ethnisch gesäuberte“ Gebiete.

Izetbegović will das Abkommen einer voraussichtlich um Militärs, Intellektuelle und VertreterInnen gesellschaftlicher Gruppen erweiterten Parlamentssitzung ohne jede Empfehlung lediglich „zur Beratung“ vorlegen. Zugleich forderte er erneut die Aufhebung der Belagerung Sarajevos sowie die Umsetzung der Resolution 836 des UNO-Sicherheitsrates vom 24. Mai. In diesem bis heute völlig folgenlosen Beschluß wurden Sarajevo und fünf weitere Städte zu „UNO-Schutzzonen“ erklärt.

Das von Owen und Stoltenberg präsentierte 50seitige Abkommen enthält neben den Verfassungsprinzipien für die geplante „Union“ dreier ethnischer Teilrepubliken und der schon vor geraumer Zeit erzielten Vereinbarung über einen Waffenstillstand und die schrittweise Entmilitarisierung des Landes eine Karte mit den Grenzen zwischen den drei Teilrepubliken. Diese Karte entspricht bis auf einige kleine Konzessionen an die Muslime weitgehend den zu Beginn dieser Verhandlungsrunde Ende Juli von Serben und Kroaten gemachten Aufteilungsvorschlägen.

Entsprechend zufrieden äußerten sich denn auch der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić, Kroatenchef Mate Boban sowie die Präsidenten Serbiens und Kroatiens, Slobodan Milošević und Franjo Tudjman vor ihrer Abreise aus Genf. Es gilt als sicher, daß das selbsternannte serbische Parlament in Pale dem Abkommen ebenso zustimmen wird, wie die Anhängerschaft Bobans.

Eine Million auf Dauer im europäischen Ausland

Nach der Owen-Stoltenberg-Karte sollen die bosnischen Serben für ihre künftige Teilrepublik 52,5, die Kroaten 17,5 Prozent des bisherigen bosnischen Territoriums erhalten. Für die mit 44 Prozent größte Bevölkerungsgruppe der Muslime bleiben 30 Prozent des Landes. In seinem am Montag letzter Woche eingebrachten Kartenvorschlag hatte Präsident Izetbegović 43 Prozent verlangt und eine Reihe von Forderungen für eine „überlebensfähige“ bosnisch-muslimische Teilrepublik aufgestellt.

Diese wurden entweder überhaupt nicht oder nur sehr rudimentär erfüllt. Die Städte Srebrenica, Žepa und Goražde — derzeit muslimische Enklaven in serbisch besetztem Territorium – liegen auch künftig innerhalb der serbischen Teilrepublik. Sie sind lediglich durch einen dünnen Landkorridor und stellenweise nur durch eine Straße miteinander sowie mit Sarajevo verbunden. Statt des verlangten direkten Landzugangs zur Adria im Südwesten mit einem eigenen Küstenstreifen erhält die bosnisch-muslimische Teilrepublik lediglich über eine durch die kroatische Teilrepublik führende Straße Zugang zum Adria-Hafen Ploče. Diese Straße soll international überwacht werden. Im Norden wurde zwar die östliche Hälfte der Stadt Brčko der bosnisch-muslimischen Teilrepublik zugeschlagen. Doch der Zugang nach Brčko sowie zum Frachthafen am Save- Fluß ist lediglich über eine serbisches Gebiet überspannende Brücke möglich, die erst noch gebaut werden muß. Die Stadt Mostar im Südwesten soll für eine zweijährige Übergangsfrist unter EG-Verwaltung gestellt werden — entsprechend den Regelungen für die vorläufige UNO-Administration Sarajevos. Zugleich wird ganz Mostar jedoch die Hauptstadt der kroatischen Teilrepublik. Über eine spätere Teilung der Stadt müssen sich Kroaten und Muslime noch verständigen. Eine Grenzziehung entlang der Neretva, wodurch das überwiegend von Muslimen bewohnte östliche Ufer des Flusses Teil der bosnisch-muslimischen Teilrepublik würde, wurde von Kroatenchef Boban am Freitag jedoch bereits kategorisch ausgeschlossen.

Bei einer Umsetzung dieses Abkommens dürfte nach Schätzungen von Mitgliedern der Izetbegović-Delegation über eine Million bosnisch-muslimischer Flüchtlinge auf Dauer im europäischen Ausland bleiben. Selbst bei einer Umsetzung des 43-Prozent-Vorschlages des bosnischen Präsidenten hätten rund 800.000 Muslime ihre ursprüngliche Heimat verloren. Zu Aufbauhilfen von UNO oder EG für das vom Krieg verwüstete Bosnien wollten sich die beiden Vermittler in Genf nicht äußern. Auch die Anzahl der zur Durchsetzung und Überwachung des Teilungsplan benötigten Unprofor-Soldaten war weiterhin unklar. EG-Vermittler Owen wieß lediglich darauf hin, daß dieser Punkt nun neu diskutiert werden müsse. Beim ersten Teilungsvorschlag, dem sogenannten „Vance-Owen-Plan“, war die UNO von 40.000 Blauhelmen ausgegangen. Andreas Zumach, Genf