Das ewige Stigma des Losers

■ St. Pauli kommt erneut nicht über 3. DFB-Pokalrunde hinaus

Pokalspiele haben eine profane Konstante, die in ihrer negativen Formulierung lautet: Einer wird verlieren. Dabei gibt es Vereine, die das Los des Losers magisch anziehen. Der FC St. Pauli ist so einer. Ein Blick in die Statistiken bestätigt dies. Erwähnungen großer Pokalauftritte ? Fehlanzeige.

Tatsächlich ist für die Kiezkicker in 40 Jahren Pokal stets in den Aufwärmrunden Schluß gewesen, spätestens in der dritten. Nie hat der Verein eine spektakuläre Serie a la Hannover 96 oder Hertha BSC-Amateure) hingelegt, die zu Hoffnungen auf eine Vereinstasse mit der Aufschrift „Pokalfinalist 19XX“ berechtigt hätte. Niemals hat es nur einen einzigen der euphorischen Erinnerung werten Überraschungscoup gegeben. Das hervorragendste Resultat: der 1987er Erstrunden-Auswärtssieg beim auch nicht gerade im Schwelgen geübten VfL Bochum.

St. Paulianer, die sich dennoch der Vergangenheitsbewältigung stellen, wissen, daß diesem Winz-Erfolg zwei Runden später mit einer Halbdutzend-Niederlage gegen den HSV ein gigantisches Debakel folgte. Sechs Jahre später war am Freitagabend beim Ligakonkurrenten Rot-Weiß Essen wieder die dritte die letzte Runde. Als wäre das Gesetz der Serie stärker als Siegeswillen und spielerische Überlegenheit zusammen, gab der FC nach 60 Minuten und 2:0-Führung (beide Treffer Martin Driller) „alle Trümpfe aus der Hand“ (Trainer Seppo Eichkorn) und ermöglichte es den bis dahin angriffssschwachen Gastgebern, 7000 Zuschauer in die ortsüblich bierselige Ekstase zu versetzen. 500 mitgereisten Pauli-Fans blieb das Monty Pythonsche „Always looking on the bright side of life“ im Halse stecken, als die Ihrigen sich zweimal bei hohen Hereingaben (einer Ecke, einer Flanke) der Essener so „dumm anstellten“ (Eichkorn), daß Geschlecht und Bangoura ausgleichen konnten.

In der Liga liebt der FC St. Pauli dieses keinen schmerzende Resultat. Konsequenterweise blieben die Spieler den Nachweis des Siegenwollens in der Verlängerung schuldig. Da es auch mit der Torverhinderung nicht klappte, mußten die Hamburger ein drittes Mal zusehen, wie ein weiter, hoher Ball (diesmal ein Freistoß) Geschlecht den Siegtreffer für RWE erlaubte.

Vielleicht haben St. Paulianer ja wirklich eine psychologisch ergründbare Abneigung gegen Pokalschlachten. Es bieten sich auch handfesterere Gründe fürs Scheitern an: der Driller ist schuld, weil er sich nach einer Stunde verletzt auswechseln ließ. Und der Manzi, aber von dem weiß man ja, daß er in entscheidenden Momenten keine Tore macht.Katrin Weber-Klüver