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Schwere Schlappe für die Schlapphüte

■ Weitergabe eines Dossiers über Kandidaten für den Datenschutzbeauftragten von Brandenburg illegal / Unzulässiger Eingriff in parlamentarische Willensbildung

Berlin (taz) – Eine herbe Schlappe für den Kölner Verfassungsschutzpräsidenten Eckart Werthebach: Die Übermittlung eines Dossiers über den Kandidaten für das Amt des Datenschutzbeauftragten in Brandenburg an die Landtagsabgeordnete Rosemarie Fuchs war nicht nur rechtswidrig, sie stellte auch einen unzulässigen „Eingriff in die parlamentarische Willensbildung des Brandenburger Landesparlamentes dar“.

In einer jetzt vorgelegten schriftlichen Urteilsbegründung stellt die 20. Kammer des Kölner Verwaltungsgerichtes fest: „Es bedarf keiner weiteren Ausführung, daß ein derartiges Einwirken dem Bundesamt für Verfassungsschutz (...) ohne eine besondere gesetzliche bzw. verfahrensrechtliche Ermächtigung nicht zusteht.“ In der mündlichen Urteilsbegründung hatte das Gericht bereits am 15. Mai entschieden, daß die Informationsübermittlung rechtswidrig war. Zum Eklat war es gekommen, als die Brandenburger Landtagsabgeordnete Rosemarie Fuchs (damals noch Mitglied der FDP und stellvertretende Vorsitzende des Innenausschusses und heute nach diversen Skandalen fraktionsloses Mitglied des Landtages) am 15. Oktober 1991 die zwischen den Fraktionen abgesprochene Kandidatur des Datenschutzexperten Weichert torpedierte. Gestützt auf ein Dossier der Kölner Behörde hatte Fuchs den Kandidaten für den Posten des Datenschutzbeauftragten linksradikaler Umtriebe in seiner Vergangenheit bezichtigt – dem beim Baden- Württemberger Landtag angestellten Weichert hatte das Stuttgarter Vefassungsschutzamt hingegen zuvor bescheinigt, es lägen keine Zweifel an seiner Verfassungstreue vor.

Frau Fuchs hatte offenbar ihre alten Kontakte zu Werthebach spielen lassen, den sie noch zu DDR-Zeiten im staatlichen Komitee zur Auflösung der Staatssicherheit kennengelernt hatte. Werthebach war seinerzeit von der Bundesregierung in das dem DDR-Innenminister unterstellten Gremium abgesandt worden. Die Übermittlung des Dossiers, drei Seiten Wertung und rund 25 Seiten Presseartikel, war offensichtlich auch der Kölner Behörde nicht ganz geheuer. Das Papier wurde nicht an den in Potsdam im Aufbau befindlichen Verfassungsschutz übermittelt – es wurde an das Berliner Landesamt gefaxt, ein Bote überbrachte es dann der Auftraggeberin nach Potsdam.

Der kurze Draht wurde anschließend vom Bundesamt damit gerechtfertigt, Frau Fuchs hätte in ihrer Eigenschaft als stellvertretende Vorsitzende des Innenausschusses gehandelt. Dieser Darstellung wollte das Kölner Verwaltungsgericht nicht folgen: „In keiner Weise erkennbar war und ist, daß Frau Fuchs generell, aber auch speziell für den hier in Frage stehenden Bereich (...) berechtigt gewesen wäre, den Parlamentspräsidenten bzw. den Innenausschuß des Landtages zu vertreten.“ Eine Übermittlung der Informationen hätte weder an die Privatperson, noch an die Landtagsabgeordnete, und auch nicht die Vizevorsitzende des Innenausschusses erfolgen dürfen.

Nach dem mündlichen Urteilsspruch im Mai hatte das Bundesamt angekündigt, Berufung gegen das Urteil einlegen zu wollen. Weichert, der die Klage anstrebte, kann damit leben, wenn „dem Bundesamt für Verfassungsschutz auch höchstrichterlich bestätigt wird, daß es in eklatanter Weise gegen die Verfassung verstoßen hat“. Werthebach dürfte das Urteil ziemlich ärgern: Als im Bonner Innenministerium der Staatssekretär Vöcking den Posten räumen sollte, galt der Kölner Amtschef als potentieller Nachfolger. Daraus wurde nichts – unter anderem wegen der „Dossieraffäre“, munkeln Insider. Wolfgang Gast

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