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Opferverspottung -betr.: "An den Grenzen der Kunst", taz vom 4.12.93

Zum Beitrag von Christina Weiss: Daß der Film gezeigt werden „muß“, ist für mich nicht nachvollziehbar. Unsichere, perspektivlose, eventuell von Vorurteilen infizierte junge Menschen bekommen „rechte“ Lebenshilfe plus Infos und Adresse. Skandalös ist schließlich die Schlußbemerkung der Kultursenatorin, in der sie allen Ernstes folgende Rezeption des Films vorschlägt: „Nach der Vorführung die erschütternden Berichte der Opfer nazistischer Gewalt zu hören, das wäre die beste Antwort darauf.“ Das heißt im Klartext: Was der Film unentschuldbar versäumt, soll durch die Opfer nachgeholt werden! Lehrreich wäre es demnach, einen Bus mit ehemaligen Auschwitz-Häftlingen zu chartern und auf eine Filmtournee zu schicken. Dann können sich die Opfer vorab 90 Minuten lang verspotten und beleidigen lassen und anschließend durch die Kinoreihen gehen, mit entblößtem, numeriertem Unterarm, um zu belegen, daß es Auschwitz wirklich gab. Frau Weiss, das ist eine starke Idee, die auch echt betroffen macht. Die Opfer als Bewährungshelfer!

Anke Apelt, Filmemacherin

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