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Die Teufel sind professioneller

Nach wirtschaftlichen kommen die sportlichen Erfolge: Die Hamburger Blue Devils sehen den Gewinn der Football-Eurobowl als Anfang  ■ Aus Stuttgart Lars Pegelow

In der Stunde des Erfolges wurde Axel Gernert nachdenklich. „1989“, sagte der Macher der Hamburg Blue Devils, „habe ich gesehen, wie der krebskranke Trainer des damaligen Eurobowl- Champions, Legnano Frogs, sich mit dem Sieg seinen letzten großen Wunsch erfüllt hat. Sechs Monate später starb der Mann.“ Damals hat Gernert die Leidenschaft für American Football entdeckt. Die sogenannte World League einmal ausgenommen: Mit dem 21:14 (0:7, 6:0, 8:7, 7:0)-Erfolg über die Aix- en-Provence Argonauts steht seine Mannschaft sieben Jahre nach Legnano an der Spitze von Europas Football. Das ist das Ergebnis einer Menge Beharrlichkeit, vieler Rückschläge – aber vor allem der Ausdauer Axel Gernerts.

Die Pleite mit der bankrotten Football League of Europe (FLE) 1994 steckten die Hamburger weg: Danach ging es mit den Blauen Teufeln immer weiter bergauf. Zwar blickten die Teams aus West- und Süddeutschland lange skeptisch nach Norden, doch inzwischen müssen sie neidlos anerkennen: Was dort auf die Beine gestellt wurde, ist erstaunlich. 10.400 Zuschauer kommen im Durchschnitt ins Hamburger Volksparkstadion und feiern zusammen mit Spielern und Cheerleadern (den Blue Angels) regelmäßig eine Riesen-Party.

Gernert, gelernter Journalist, nutzte seine Kontakte zu den Hamburger Medien, für die mittlerweile ein Devils-Spiel Pflichttermin ist. Denn – das hat Gernert nicht vergessen – auch der sportliche Wert muß stimmen. Genau das aber zweifelten die Bundesliga- Konkurrenten im letzten Jahr noch an. Die Hamburger galten als Show-Truppe, die ohne ihre amerikanischen Akteure nicht mithalten könnte, einige hielten sie für neureich. Ein Jahr später aber ist klar, daß die Blue Devils einfach nur professioneller vorgehen.

Gernert führte das Produkt Blue Devils auf dem Markt ein. Er ließ T-Shirts, Kappen, Trading Cards und Autoaufkleber in Massen herstellen. Und am Spielfeldrand sind die Blue Angels die Nummer eins in Europa. Aufgrund der enormen Zuschauersteigerung hat Gernert nun auch die German Bowl, das deutsche Endspiel, für mindestens drei Jahre nach Hamburg geholt. Und durch den Erfolg über Aix-en-Provence sind die Hamburger jetzt auch auf dem Rasen die Nummer eins in Europa.

Negative Randerscheinungen kommen da nur selten auf. Wie beim German Bowl 1995, als betrunkene Fans die Cheerleader des Gegners aus Düsseldorf bepöbelten. Oder während der gesamten vergangenen Saison, als sich Gernert in der Auswahl seiner US- Spieler vertan hatte. Von Heimweh geplagt verließen eine Handvoll Amerikaner vorzeitig den Kader.

Das größte Problem könnte Gernert aber noch bevorstehen. Während in Hamburg und bestenfalls noch bei den Braunschweig Lions die Zuschauerzahlen nach oben gehen, stagniert die restliche Liga. 11,4 Prozent mehr Fans weist die Statistik der Liga mit diesen beiden Teams im Vergleich zum Vorjahr auf, ohne sie ein Minus von 17,9 Prozent – Erinnerungen an die FLE werden wach. Selbst das Eurobowl-Finale hatte mit 17.000 Zuschauern einen Verlust von über 5.000 gegenüber dem Vorjahr.

Auch in den anderen europäischen Ländern hat sich Football noch nicht durchgesetzt. Als deutscher Vizemeister konnten die Devils am Eurobowl nur teilnehmen, weil anderswo Mannschaften zurückzogen. Und die Erstrunden- Partie gegen die Solna-Chiefs aus Schweden fiel gar aus, weil der Gast drei Tage vor dem Spiel sein Kommen absagte.

Trotzdem: Die Hamburg Blue Devils wollen weiter nach vorn. Selbst nach der Pokalübergabe und der Ehrung für den besten Spieler, Simon Morris (14 Punkte), hatten einige schon das nächste Ziel im Visier. Linebacker Vince Palko sagt: „Der Gewinn der Eurobowl zählt nicht viel, wenn wir im Oktober nicht auch deutscher Meister werden.“ Kollege Rolf Gerhold sah es ähnlich: „In der ersten Halbzeit haben wir viele Fehler gemacht. Heute feiern wir zwar ein bißchen, aber schon morgen müssen wir uns mit diesen Fehlern beschäftigen.“ Aix-Headcoach Miraval allerdings sagte, er habe „in Europa noch nie gegen eine so starke Verteidigung gespielt“.

Den Hamburger Fans war dies egal. 2.000 schrien noch weit nach Spielschluß vor dem Stadion ihre blau-weißen Gesänge. Und die Mannschaft machte sich auf den Weg ins Stuttgarter Nachtleben. Kicker Mirko Läpple ist gebürtiger Stuttgarter und konnte seinen Kollegen einige nette Kneipen empfehlen. Spätestens da hatte auch Axel Gernert seine Nachdenklichkeit für kurze Zeit vergessen.

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