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"Liebe taz..." Bremer Multikulti - betr.: Kommentar "Papisten", taz vom 21.2.1997

Betr.: Kommentar „Papisten“ v. 21.2.

Ach, daß ich das noch erleben darf, bevor der Saft endgültig (?) abgedreht wird: „Papisten“ am Werk bei Radio Bremen. Und das, obwohl die Bremer „vox populi“ (irrigerweise) immer noch annimmt, dort seien nur „Rote“ am Funken... Und nun deckt die taz auf, daß da „Papisten“ am Ruder sind. HaIleluja!!! Von einem solchen Erfolg hätte ich als Vertreter der katholischen Kirche im Rundfunkrat nicht in meinen kühnsten Träumen zu träumen gewagt.

Aber nun mal im Ernst. Ich habe Verständnis für beide, für den Ober-„Papisten“ und die „Galileis“ im Sender. Es ist notwendig und richtig, daß für den Tag X, an dem der Finanzausgleich – nach dem Willen einiger Ministerpräsidenten vielleicht – gestrichen wird, Vorüberlegungen angestellt werden. Es ist jedoch äußerst kontraproduktiv, diese Überlegungen jetzt schon zu Markte zu tragen, denn das könnte ein Eigentor werden, weil man vermutlich nur provoziert, daß der Tag X auch wirklich eintrifft. Man verstärkt außerdem die Tendenz zur Entsolidarisierung in unserer Gesellschaft bzw. nimmt sie als (gott-)gegeben hin.

Eine Gesellschaft, in der nur noch die Ratio herrscht und geschichtlich Gewachsenes, Regionales auf dem Altar der Vernunft geopfert wird, kann nur eine kalte Gesellschaft sein. Das vielgepriesene Schlagwort von der „multikulturellen Gesellschaft“ sollte daher nicht nur für das Zusammenleben von Deutschen und Ausländern gelten, sondern auch für den föderativen Charakter unserer Demokratie, in der Bayern, Sachsen und Bremer ihren angestammten Platz haben müßen, auch im dritten Jahrtausend nach Christi Geburt, Papisten hin, Galilei her, zumal die realexistierenden „Papisten“ in Rom inzwischen ja auch ihren Frieden mit „Galilei“ gemacht haben.

Mit papistischen Grüßen

Wilhelm Tacke, Mitglied im Rundfunkrat von Radio Bremen

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