: „Ich lebe am liebsten ohne Uhr“
■ Ein Lübecker Uhrmacher mag es alt und kompliziert
Das Ticken einer Uhr ist für Norbert Schmidt die schönste Musik. Besonders, wenn die Uhr alt ist und zunächst gar nicht ticken wollte. Schmidt ist Uhrmachermeister und hat sich auf die Reparatur und Sanierung antiker Uhren spezialisiert. Sein Motto: „Je komplizierter die Mechanik, desto lieber ist sie mir.“
Bei „Klokkenmaker Schmidt“in der Lübecker Innenstadt stapeln sich Uhren aus verschiedenen Jahrhunderten: Mächtige Standuhren, zierlich-verspielte Chronometer des Jugendstils und Taschenuhren aus Großvaters Zeiten. „Die repariere ich am liebsten“, sagt Schmidt. „Das ist richtige Geduldsarbeit.“Inzwischen haben Meister Schmidt und seine drei Mitarbeiter alle Hände voll zu tun. Die Reparaturaufträge kommen aus ganz Deutschland. Mit der größten Begeisterung ist Schmidt immer dann bei der Sache, wenn seine Phantasie und sein technisches Verständnis gefragt sind. „Bei alten Uhrwerken gibt es nämlich Techniken, die nirgendwo beschrieben sind. Die zu rekonstruieren und wieder gangbar zu machen, ist eine echte Herausforderung“, sagt er.
Uhren können auch Geschichten erzählen. „Einmal brachte man mir eine völlig verrußte goldene Taschenuhr“, erzählt der Meister. „Die hatte 30 Jahre in einem Ofen gelegen. Dort war sie während des Kriegs vor plündernden Soldaten versteckt worden und dann in Vergessenheit geraten. Es hat ein halbes Jahr gedauert, aber wir haben sie wieder zum Laufen gekriegt.“Obwohl Schmidt in seiner Werkstatt von tickenden Uhren umgeben ist, ist Zeit für ihn relativ unwichtig. „Ich lebe am liebsten ohne Uhr.“ Eva-Maria Mester
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