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Es muß nicht immer der Golfclub sein

■ Neues Sponsoring: Hamburger Unternehmer entdecken ihr soziales Gewissen und wollen den Dialog mit der Jugend wagen

„Ich denke an Casablanca, an Humphrey Bogart, der den Blick auf das startende Flugzeug richtet, und ich frage mich: Stehen auch wir heute am Beginn einer wunderbaren Freundschaft?“Für den Theologen und Sozialpädagogen Peter Kromminga ist diese Frage mehr als nur eine rhetorische. „Lassen Sie uns die Initiative ergreifen, lassen Sie uns Kooperationen eingehen zwischen Unternehmen und Jugendprojekten in Hamburg“, forderte er in der vergangenen Woche vor hanseatischen Unternehmensvertretern, die sich anläßlich der Tagung „Die Verantwortung der Hamburger Wirtschaft für die Jugend“in Rissen versammelt hatten.

Erste konkrete Projekte gibt es schon heute: Buchhändler und Kleinverlage halten die Kinder- und Jugendbibliothek im Mittelweg am Leben, eine Heimwerkerkette bietet Praktikumsplätze, um das Arbeitsleben kennenzulernen, Unternehmer übernehmen Patenschaften für Jugendclubs. Langnese will sich vernetzen, Ikea signalisiert Interesse und Ulrich Podszuweit vom „Projekt Sozialatlas“der Fachhochschule Hamburg gibt gute Ratschläge.

Peter Kromminga ist nicht nur Chef des Verbandes Kinder- und Jugendarbeit Hamburg, sondern auch Vertreter der bundesweiten, 1996 gegründeten Organisation „Unternehmen: Partner der Jugend“. Die Gründung dieser eigentümlichen Organisation, hinter der sich eine Koalition von Jugendarbeitern, Unternehmern, Bundesfamilienministerium, Club of Rome und Edmund Siemers-Stiftung verbirgt, geht letztlich auf eine Untersuchung der UNO zur Zukunft der Arbeit zurück. Feste Jobs gibt es künftig nur noch für 25 Prozent der Bevölkerung, prognostiziert die Studie, weitere 25 Prozent dürfen sich mit wechselnden Jobs durchschlagen – die restliche Hälfte bleibt ausgegrenzt.

Als diese Botschaft im letzten Jahr auf einer „Zukunftswerkstatt“im Taunus die versammelten Kapitalkreativen erschreckte, hatte einer von ihnen, der Unternehmensberater Bernhard von Mutius, die zündende Idee: „Unternehmen: Partner der Jugend“(UJP) war geboren. In Symposien und persönlichen Kontakten ist mittlerweile ein bundesweites Netzwerk entstanden, welches sich um den „Brückenschlag“, um „aktive Zukunftssicherung“bemüht.

UJP sieht sich als Speerspitze eines aufgeklärten Unternehmertums. „Es muß ja nicht immer der Golf- oder Rotary-Club sein“, erläutert eine UJP-Sprecherin: „Warum sollen Unternehmen sich nicht auch mal um einen Jugendclub kümmern.“Mutius & Co sehen die klassische Form der staatlichen Jugendhilfe ebenso in der Sackgasse wie eine Strategie der milden Gaben für soziale Zwecke. Die ideologische Nachbarschaft zu manchem Grünen, der immer häufiger von der „Bürgergesellschaft“spricht, die die sozialen Probleme selbst anpackt, ist nicht ganz zufällig.

Als Hamburger UJP-Boß gibt sich Kromminga nicht gerade bescheiden: Ein groß angelegter „Hamburger Ratschlag“im Januar 1998 soll „die Tragfähigkeit und das Potential einer sozialen Gestaltung des Zusammenlebens in Hamburg ausloten“. In der aktuellen Phase des Wahlkampfs hat sich Kromminga Zurückhaltung verordnet. Denn: „Unsere Arbeit trifft in Hamburg auf besondere Schwierigkeiten.“Kein Wunder: Die Claims der Jugend- und Sozialarbeit sind fest abgesteckt, gegen Unternehmerinitiativen gibt es heftiges Mißtrauen. Überzeugungsarbeit muß aber auch bei den Unternehmen geleistet werden, die lieber Golfturniere sponsorn, als den Dialog mit der Jugend zu wagen.

Das könnte sich, sollte UJP Erfolg haben, ändern. Profit und Dialog mit der Jugend schließen sich, so betonten die Jungdynamiker von Ikea und Langnese in Rissen unisono, überhaupt nicht aus: „Natürlich müssen wir in erster Linie Geld verdienen“, hieß es. Doch Engagement für die Jugend verspreche ja auch „einen Imagegewinn“.

Florian Marten

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