: Radikale Geschäfte
Schrecklich: Politische Agitation bedroht Hausfrieden in der Einkaufspassage „Forum Altona“ ■ Von Silke Mertins
Das geht zu weit: Gerade erst ist das Einkausfzentrum Altona auf der Großen Bergstraße verkauft worden und damit dem baulichen Verfall entkommen. Und nun bedroht der radikalpolitische Posterverkäufer Holger Halfmann die Existenz des frisch rennovierten Klotzes aus den 70er Jahren. Doch Rettung naht: Die neue Vermieterin, die „Kommanditgesellschaft Objekt Große Bergstraße“, greift beherzt ein.
Dem Mieter Halfmann wurde gekündigt. Wegen des Verkaufs von Artikeln, insbesondere „Agitationsbüchern mit sehr einseitigem politisch radikalem Inhalt sowie Aufklebern, die keineswegs mehr unter den Begriff Geschenkartikeln eingeordnet werden können“.
„Sei kein Dummi – mach's mit Gummi“oder „Die Mieten müssen steigen – wählt christdemokratisch“lauten die politischen Provokationen auf den Postkarten und Postern, die der kleine Laden in der Nische direkt neben dem Eingang der Passage verkauft. Sogar Agitationen wie „Gib Nazis keine Chance“, boshafte Behauptungen von der Sorte „Alle Rassisten sind Arschlöcher“, und an Hochverrrat grenzende Beleidigungen wie „Unsere Pflaume ist eine Birne“werden zum Verkauf angeboten.
Die Poster, Aufkleber und Postkarten verkaufe er „schon lange“, gesteht Halfmann im Gespräch mit der taz. Doch bisher meist an Ständen unter freien Himmel und nur zu bestimmten Anlässen. Ein besseres Geschäft versprach sich der Provokateur von einer festen Einmietung. Und griff für 920 Mark für knapp 14 Quadratmeter im „Forum Altona“zu.
„Hätte unsere Mandantin von Ihrem wahren Warenangebot gewußt, hätte sie das Ladenlokal in keinem Fall an Sie vermietet“, stellt der Anwalt der Vermieterin, Carl Vogt, fest. Denn die radikalen Geschäfte seien „eine nicht unerhebliche Störung des Hausfriedens in der Ladenpassage“. Die „berechtigten Interessen“der Mitmieter und der Vermieterin würden „erheblich beeinträchtigt“.
Das ist bedauerlicherweise noch nicht alles: Es sei festgestellt worden, „daß in den von Ihnen eingebrachten Waren sich auch Ungeziefer befand insbesondere Kakerlaken.“Gar nicht wahr, sagt Halfmann. Nicht nur der Kammerjäger habe ihm bestätigt, man könne nicht sagen, „daß ich die Tiere eingeschleppt habe“. Auch „einer meiner Kunden“, ein ehemaliger Mieter des Gebäudes, weiß zu berichten, daß es „seit zehn Jahren im Haus Kakerlaken gibt“.
Wahr könnte das schon sein, räumt Dieter Jäger von der Kommanditgesellschaft ein. Doch im Erdgeschoß seien keine Tiere gewesen. Und im übrigen „paßt der Laden von Herrn Halfmann nicht zur Passage“, schon gar nicht an den Eingang, gewissenmaßen die Visitenkarte des Forums. Mehr aber kann und will er am Telefon zu der „außerordentlichen Kündigung mit sofortiger Wirkung“nicht sagen.
Ladeninhaber Halfmann ist unterdessen hochgradig uneinsichtig. Klipp und klar seien seine Waren im Mietvertrag aufgeführt: „Geschenkartikel und Kleintextilien mit folgendem Sortiment: T-Shirts, Poster, Postkarten, Aufkleber, Buttons, Aufnäher etc.“, steht dort schwarz auf weiß geschrieben. Und ein Klaus-Staeck-Plakat sei doch wohl ein wunderbares Geschenk, oder nicht?
Die Passage will er dennoch verlassen. „Hier ist nix los“, winkt er ab. Die Hälfte der Läden steht noch immer leer, zu einem Kundenmagnet hat sich das EKZ in neuem Gewande nicht gemausert. Doch bis zum 12. Juni hat er Miete gezahlt, und „solange bleib ich hier drin“.
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