: Schon lange keine Engel mehr
Neuer Tiefpunkt der HSV-Führungskrise: Vize Volker Lange und Kassierer Jürgen Engel danken ab, Uwe Seeler aber macht weiter ■ Von Clemens Gerlach
Der HSV ist immer für eine Überraschung gut – wenn auch nicht auf dem Spielfeld. Gestern mittag erklärten der 2. Vorsitzende, Volker Lange, und der Schatzmeister des Fußball-Bundesligisten, Jürgen Engel, ihren sofortigen Rücktritt. Die beiden – nun ehemaligen – Vorstandsmitglieder gaben in Presseerklärungen die seit Monaten andauernde „Diffamierungs“- und „Pressekampagne“gegen die HSV-Führung als Begründung an. Für persönliche Stellungnahmen waren die seit Oktober 1995 amtierenden Demissionäre gestern nicht zu erreichen: Sie seien „auf Geschäftsreise“.
In Engels Fall sind es vermutlich neue Vorwürfe der persönlichen Bereicherung, die den „zutiefst verletzten“61jährigen jetzt zum Aufgeben bewogen haben. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel wird in seiner am Montag erscheinenden Ausgabe melden, daß der Mannschaftshotel-Besitzer und Kaufmann am Erwerb der mehr als umstrittenen Ost-Immobilien des HSV mitverdient habe.
Beim 19-Millionen-Mark-Geschäft soll Vereins-Kassierer Engel im Dezember vorigen Jahres eine Provision von insgesamt 993.000 Mark in drei Raten erhalten haben. Hinweise auf dieses eigennützige Geschäftsgebaren lägen dem Aufsichtsrat des HSV vor. Engel, der schon wegen dubioser Gehaltsvorauszahlungen an Trainer und Spieler sowie wegen privater Fanartikel-Geschäfte öffentlich kritisiert worden war, bestritt gegenüber dem Spiegel, in die eigene Tasche gewirtschaftet zu haben.
Der ehemalige Wirtschafts-, Bau- und Innensenator Lange beschuldigte in seiner Abschiedserklärung nicht namentlich genannte Kritiker, einen Medien-Feldzug gegen den HSV-Vorstand zu führen: „Die von einzelnen initiierte und wohl auch finanzierte Diffamierungskampagne hat den Ruf des HSV und des Fußball-Idols Uwe Seeler schwer beschädigt.“Er sei nicht länger bereit, „diese Beeinträchtigungen für ein sportliches Ehrenamt hinzunehmen“.
Lange war wiederholt nachgesagt worden, sich nur beim HSV zu engagieren, um besser den eigenen Geschäften nachgehen zu können. So soll der filzerfahrene Sozialdemokrat und „Political Consultant“bei der Auftragsvergabe für den eine halbe Milliarde Mark teuren Volksparkstadion-Neubau an das Arena-Konsortium Holzmann/Deuteron mitgemauschelt haben. Lange hatte in der Vergangenheit das Unternehmen Deuteron beraten.
Trotz des spektakulären Abgangs seiner „Freunde“will der Vorstandsvorsitzende Uwe Seeler durchhalten. „Mit großem Bedauern“habe er die Entscheidung zur Kenntnis nehmen müssen, erklärte Seeler, der beruflich in Italien weilt. Und beteuerte: „Beide haben sich in ihrer Amtszeit nichts zuschulden kommen lassen.“
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