: Riesig: Reinhard Lettaus renovierter Rixdorfer Rübezahl
Im Original sind die Holzschnitte groß wie Garagentore: 258 mal 183,5 cm. Wären sie kleiner, wären es nicht die versprochenen Riesenholzschnitte. Da die Künstler Uwe Bremer, Albert Schindehütte, Johannes Vennekamp und Arno Waldschmidt seit 1963, als sie sich mit Günter Bruno Fuchs in Westberlin zusammenschlossen, unter dem Namen „Werkstatt Rixdorfer Drucke“ firmieren, handelt es sich folgerichtig um „Rixdorfer Riesenholzschnitte“. Und weil es in ihrem neuen Werk um Rübezahl geht und Reinhard Lettau fünf Vierzeiler beigesteuert hat, heißt das Ganze korrekt „Reinhard Lettaus renovierter Rixdorfer Rübezahl“.
Die Rixdorfer hatten den Auftrag, für die künstlerische Innenausstattung im IFA-Ferienpark Hohe Reuth im Vogtland zu sorgen. Da man von hier aus an klaren Tagen bis ins Riesengebirge sehen kann und Rübezahls Einflußgebiet bis hierher gereicht haben soll, lag das Thema auf der Hand. Schließlich heißt man nicht zum Spaß Schindehütte oder Waldschmidt. Reinhard Lettau, gebürtiger Erfurter, Rübezahlkundiger und seit langem der Rixdorfer Gruppe freundschaftlich verbunden, drängte sich naturgemäß als Autor auf. Niemand ahnte, daß seine genial erblödelten Verse die letzte Arbeit vor seinem plötzlichen Tod im Sommer 1996 sein würden. Nun, wo der renovierte Rübezahl als Leporello zwischen zwei Buchdeckeln vorliegt (Merlin Verlag, 18 Seiten, 48DM), ist daraus so etwas wie ein skurriler Nachruf und eine Hommage geworden.
Erst wenige Jahre zuvor war Lettau, Wahlamerikaner und seit Anfang der 70er Jahre als Literaturprofessor in Kalifornien tätig, nach Deutschland zurückgekehrt. Sein letztes Buch, ein schmaler Roman, trug den programmatischen Titel „Flucht vor Gästen“. Sein letzter Vierzeiler, der sich nun nachlesen läßt, geht so: „Warum ich viele 100 Jahre lang im Berg geblieben bin / Weil's dort so still und friedlich ist es kommen keine Leute hin. / Es kann nicht anders sein / Frei ist man nur allein.“ Das klingt, schreibt Hans Christoph Buch im Nachwort, wie eine Absage an die Welt, als habe Lettau seinen Tod vorausgeahnt.
Mehr noch enthalten diese Verse in komprimierter Form Lettaus liebevolle Misanthropie und den zärtlichen Sarkasmus, mit dem er sein Leben bestritt. In der Reihe seiner seit den frühen 60er Jahren immer kürzer und immer seltener werdenden Texte sind es wohl die kürzesten: ein würdiger Abschluß für einen, der langen Reden zu mißtrauen pflegte.
Ein kleines Foto im Band zeigt Lettau in der Werkstatt der Rixdorfer. Er beobachtet die Entstehung einer Graphik zu seinem Gedicht „Was Spaß macht“ – und man kann sehen, wieviel Spaß Lettau an der Sache hatte. Die Drucklegung der Riesenholzschnitte, die unter freiem Himmel mit Hilfe einer Straßenwalze abgezogen wurden, hat er nicht mehr erlebt. Die Bilder hängen nun im Besucherzentrum im Ferienpark Hohe Reuth, und selbstverständlich gilt auch für sie, was Lettau in bescheidenem Stolz für sich in Anspruch nahm: „Wenn ich die Rübe auf den Tisch gelegt / Sind alle andern Rüben weggefegt / Egal wie man dann wählt / Nur meine Rübe zählt.“ Jörg Magenau
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