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Glitzern aus der Aldi-Tüte

■ In der Akademie der Künste wurden "Glemmerqueens" als Benefizshow gefeiert

Was haben Schwule, Diven und Musicals eigentlich gemeinsam? Claudio Maniscalo und TV-Krankenschwester Claudia Schmutzler („Für alle Fälle Stefanie“) hangelten sich in ihrer Moderation an dieser Grundsatzfrage entlang, aber wirkliche Antworten bekamen sie weder von den für diese Show wiederauferstandenen Diven noch von den eingeladenen Talkgästen. Peter Lund, künstlerischer Direktor der Neuköllner Oper und Komponist der inzwischen vielfach nachgespielten Musicalkomödie „No Sex!“, fand immerhin eine mögliche Erklärung: der offenbar genetisch vererbte, stets mit Grazie und Leidenschaft ausgeführte sogenannte „Kolliergriff“.

Viel vorgenommen hatte man sich für diesen Abend über „Glemmerqueens“ als Idole von Schwulen, und auch jede Menge geboten: Eine ganze Hundertschaft an Mitwirkenden vor und hinter der Bühne steppten, sangen, spielten in dieser Show im Rahmen der Ausstellung „Goodbye to Berlin?“ ein Benefiz zugunsten von „Culture for AIDS“.

Ein Abend mit Showtreppe, dem schwulen Männerchor Männerminne als background voices und gold- und silberfarbenen Glitterjacketts, die Rosa von Praunheim höchst persönlich in Aldi-Tüten auf die Bühne schleppte. Ein Abend mit vielen kleinen, verzeihlichen Pannen und Patzern, mit künstlerischen Höhen und Tiefen. Mal ein bißchen engagiertes Schülertheater, dann wieder Entertainment at it's best: etwa Daniel Costello und Bernhard Rüfenacht vom Theater des Westens mit einer perfekten Shownummer aus „Victor und Victoria“ oder Christian Schodos mit einer sanften Ballade aus dem Aids-Musical „Falsettos“. Dazwischen das Moderatorenpaar Schmutzler und Maniscalo (der auch für die Regie verantwortlich zeichnet). Mit großer Show und spritziger Conference hat bekanntlich selbst die Verleihung des Deutschen Filmpreises stets Probleme und hier gaben die beiden offenherzig zu, ohne Kärtchen und Lesebrille reichlich hilflos und ganz ohne Text dazustehen. Schade eben nur, daß ihnen Friederike Nebel doch recht papierne Sätze und wenig zündende Fragen ins Manuskript geschrieben hatte. Weshalb sich Claudia Schmutzler bald aufs Kaugummikauen konzentrierte und Claudio Maniscalo als Debütant die Flucht nach vorn antrat.

Guter Wille, wenn auch nicht immer der beste Text, ist auch den verbindenden Spielszenen mit Denis Römer und Hermann Ebeling zu bescheinigen: Zwei Schwule verschiedener Generationen im Clinch über die ewige Frage nach der Liebe und leidlichere dazu, ob denn Schwule etwa ein ästhetisches Empfinden hätten. Und natürlich über Musicals und Diven.

Anna Bolk war ein „Mon Dieu“ lang eine überzeugende Edith Piaf, Ana Forell gab sich als schnippisch-schlagfertige Marlene Dietrich. Für die Abteilung Disco-Kult war schließlich Queen Yahna & Band zuständig. Mit Soul aus tiefster Brust und Seele brachte sie binnen weniger Minuten den Saal mit ihrer Fassung von Gloria Gaynors „I will survive“ zum Tanzen. Zuletzt verführt sie die Zuschauer wie die auf der Bühne versammelten Mitwirkenden auch noch dazu, im Chor „We Will Work It Out“ zu singen. „Our Love, our Life“ sagt sie und meint vielleicht auch ein klein wenig die Show damit. Axel Schock

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