: Brötchen ohne krumme Gene
Nicht überall, wo gentechnikfrei drauf steht, ist auch gentechnikfrei drin ■ Von Achim Fischer
„Da ist Gen drin“, enthüllte die Bild-Zeitung. Gen ist eigentlich in allem drin, was zappelt oder blüht. Und im Fall von Schweinen, Soja oder Tomaten sind die Erbanlagen dann manchmal das, was Bild meint und nicht schreibt, nämlich gentechnisch manipuliert oder – neutral formuliert – verändert. Macht nix, sagt sich die ökologisch korrekte VerbraucherIn, ich kaufe kein Gen, zumindest kein krummes. Und greift, ohne es zu ahnen, im Ökoladen beherzt zum High-tech-Produkt. Denn eine Garantie für vollständig unmanipulierte Lebensmittel kann derzeit niemand geben. Daher hat die Umweltorganisation Greenpeace jetzt die Adressen Hamburger Händler aufgelistet, deren Waren so weit wie möglich ohne Hilfe der Gentechnik produziert werden.
Es sind die Zusatzstoffe, die häufig aus dem Labor stammen und damit manipuliert sind: die Hefe im Brot, die Gerinnungsmittel im Käse, die Enzyme im Waschmittel. Diese Zusatzstoffe sind häufig einfache Lebewesen (etwa Hefe) oder sie die Produkte einfacher Lebewesen (etwa die Enzyme als Produkte von Bakterien). Je einfacher ein Organismus aufgebaut ist, umso besser aber hat ihn die heutige Gentechnik im Griff. Ein Schaf zu klonen oder eine Antimatsch-Tomate zu kreieren, war eine Sensation. Die Hefe so zu verändern, daß der Teig bei 37,3 Grad fünf Minuten und dreißig Sekunden schneller als bisher aufgeht, ist längst Routine.
Oft lassen die Biologen ihre veränderten Bakterien genau die Substanzen produzieren, die es seit Jahrhunderten gibt, zum Beispiel die Gerinnungsmittel für Käse. Früher wurden entsprechende Enzyme aus der Bauchspeicheldrüse geschlachteter Kälber gewonnen, später aus konventionell gezüchteten Einzellern. Mittlerweile aber liefern genetisch manipulierte Bakterien den Stoff in viel höherer Konzentration als ihre früheren Artgenossen, womit die Produktion effizienter, sprich billiger wird. Diese Zusatzstoffe unterscheiden sich durch nichts von den früheren Produkten. Sie sind denn auch später, im Lebensmittel, nicht von konventionell hergestellten Zutaten zu unterscheiden.
Den Anbietern von Biowaren bleibt mangels Alternative häufig keine andere Wahl, als auf die ungeliebten Zutaten zurückzugreifen. Die Bundesverbände Naturkost Naturwaren (BNN) suchen deshalb den Lebensmittelmarkt nach unmanipulierten Zutaten ab. Einen ersten Erfolg stellte Klaus Wagener, Geschäftsführer des BNN-Bereichs Hersteller, in Hamburg vor: Ab Anfang 1998 sollen alle ökologischen Bäcker in Deutschland mit einer Hefe backen können, die aus ökologischen Rohstoffen und ohne Gentechnik hergestellt wurde. Der Verband hat einen passenden Hersteller in der Schweiz ausgemacht. „Rund ein Pfennig mehr“, schätzt Wagener, wird das Brötchen ohne krumme Gene kosten.
Auch für die Enzyme möchte Wagener natürliche Alternativen finden. „Wenn wir die Nachfrage bündeln, können wir leichter einen Anbieter finden, der uns einen Herstellungsprozeß frei von Gentechnik garantiert.“Statt tausende von Enzymen – wie in der Industrie – brauchen die Hersteller lediglich 25 Substanzen. Der Grund: Sie passen ihre Produktionsabläufe den Rohstoffen an, nicht umgekehrt.
„Keine Gentechnik ins Essen“, fordert seit langem auch Greenpeace und hat jetzt die Kampagne „Einkaufsnetz“gestartet. Die Organisation protestiert in erster Linie gegen die Freisetzung von manipuliertem Soja und Mais. Allein Bestandteile der Sojabohne sind in rund 3.000 Lebensmittelprodukten enthalten. Auf Anfrage verschickt Greenpeace eine Liste der örtlichen Händler sowie aller bundesdeutschen Hersteller, die auf den Einsatz veränderter Tier- und Pflanzenbestandteile verzichten. Eine vollständig gentechnikfreie Herstellung, räumt die Umweltorganisation ein, ist damit jedoch noch nicht gewährleistet. Greenpeace arbeitet deshalb eng mit den BNN zusammen. Ziel ist es, bis Ende nächsten Jahres genügend Produzenten unmanipulierter Zusatzstoffe zusammenzutrommeln. Sie sollen es Lebensmittelherstellern ermöglichen, ihre Produkte nachweislich komplett ohne Gentechnik zu erzeugen.
Die Liste und weitere Informationen zum Thema Gentechnik im Essen gibt es bei: Greenpeace e.V., 22745 Hamburg
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