: Das zarte Zittern im Wasserglas
■ Von der Freude am Vorspiel: Spielbergs Sequel Vergessene Welt: Jurassic Park II
Eigentlich gibt es bei Lost World nur eine einzige offene Frage. Wie läßt sich die typische Spielberg-Dramaturgie über ein Sequel stülpen, bei dem der Schrecken nicht noch einmal komplett neu kostümiert werden kann? Der heikle Punkt von Lost World erwächst nun gerade daraus, daß sich bei der Jurassic Park-Fortsetzung ansonsten so ziemlich alles von selbst (d.h. durch den Markt und die Publikumserwartung) ergibt.
Kaum jemand hatte ernsthaft annehmen können, daß die Fortsetzung von Jurassic Park kein Renner werden würde. Erfolg ist programmierbar. Lost World brach an seinem ersten Wochenende in den USA sämtliche Einspiel-Rekorde. Genau diese klar umrissene Erwartungshaltung (noch mehr Dinosaurier, noch opulentere Animationen etc.) aber stellte Spielbergs Inszenierung vor ein so noch nie dagewesenes Problem.
Spielbergs fast schon rhetorische Stärke war immer wieder die Vorbereitung des Fantastischen gewesen. In all seinen Filmen sind die Monster bereits vor ihrem Erscheinen auf unheimliche Weise präsent. Auch der Auftritt der Saurier in Lost World teilt sich eindrucksvoll genug durch panische Sicherheitsvorkehrungen, zerrissene Wärter und wankende High-Tech-Käfige mit. Wenn es also so etwas gibt wie einen Spielberg-Touch, dann ist er genau das. Jedenfalls sind die Erschütterungen der Wasseroberfläche von Pfützen und Wassergläsern, die den nahenden T-Rex in Jurassic Park ankündigten, längst zum Erkennungszeichen und Werbegag geworden. Lost World löst dieses Dilemma, etwas bereits Bekanntes als frisches Grauen vorzuführen, indem es Jurassic Park einfach zur Erinnerung degradiert. Dementsprechend gibt es die ersten Saurier bereits in der Titelsequenz zu sehen. Kleinere Viecher, deren zoologischer Fachterminus diesmal gottlob niemanden mehr interessiert, machen sich auf einer entlegenen Insel über eine Millionärstochter her. Vom schreienden Gesicht der Mutter wird auf die ungepflegte Visage des gescheiterten Jurassic Park-Veteranen Dr. Malcolm (Jeff Goldblum) geschnitten, der bald darauf mit einer kleinen Crew auf eben jene Insel expediert wird. Ganz im Sequel-Sinne wird die Begründung vom Jurassic-Park-Vater Hammond (Richard Attenborough) diesmal äußerst kurz gehalten. Seinerzeit wurden auf dem Eiland die Saurier für den Park gezüchtet, diese haben sich dort nunmehr ein perfektes Zuhause geschaffen und müssen darum mit Protestaktionen gegen die menschliche Ausbeutung geschützt werden.
Auf der Insel trifft die Expedition um Malcolm, seine Freundin Dr. Harding (Julianne Moore) und seine Adoptiv-Tochter Kelly (Vanessa Lee Chester) auf Ludlows Safari-Team, dessen Anführer Roland (Pete Postlethwaite) den Auftrag hat, einige Saurier nach San Diego zu überführen. Es folgen die erwarteten Saurier-Attacken, die Jurassic Park tatsächlich bei weitem übertreffen. Nur wenige Menschen überleben die Ereignisse auf der Insel. Und schließlich darf sogar ein Tyrannosaurus in San Diego einfallen, um dort als wandelndes Zitat zwischen King Kong und Godzilla einen Vorgeschmack auf Jurassic Park III zu geben. Gerade in dieser letzten halben Stunde könnte man meinen, die Erleichterung des Films darüber zu spüren, eine Fortsetzung zu sein und mit dem Verweis auf das Vorspiel alles zu dürfen. Jan Distelmeyer
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