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Zwischen den RillenFreunde helfen Freunden

■ Eastcoast-Irrenrap und die Folgen: Rampage und Capone-N-Noreaga

Es ist nicht überliefert, wessen Idee es eigentlich war, doch wer erinnert sich nicht gern an den „Woo-Hah“-Videoclip von Busta Rhymes, in dem Ol' Dirty Bastard vom Wu-Tang Clan zu Gast ist? Die beiden zusammen in einer Zwangsjacke, wie sie durch die Gummizelle toben und dem Wahnsinn Zucker geben? Das war so richtig schön telegen neben der Kappe.

Das Auge verdrehen, ran die Kamera, Kopf schräg halten, Grimasse ziehen, weg von der Kamera, Kopf wieder auf die andere Seite, noch mal schielen, zappeln, schütteln, in den Beinen einknicken und noch mehr. Dazu dann der Gesang: Stottern, Flüstern, Schreien, Röcheln und der ganze vokalartistische Rest satt. Super. Und in Sachen Verrücktheit gleichermaßen vorbildlich wie stilbildend.

Auch bodenständigere Künstler erkannten darin einen gewissen Charme. Mariah Carey und Blackstreet casteten Ol' Dirty Bastard für Gastauftritte, und Busta Rhymes darf in dem Space-Jam- Hit „Take'em High“ den Irren vom Dienst machen.

So weit ist Rampage noch nicht. Er, den man auch unter dem Namen The Last Boyscout kennt, hat bislang nur eine gemeinsame Jugend mit Busta Rhymes in Brooklyn und einige Kurzbeiträge auf dessen Album „The Coming“ auf seinem Konto. Nicht viel, aber genug, um die Weichen zu stellen.

Wenig später, genauer jetzt, ist jedenfalls sein Album draußen und heißt „Scouts Honor ... By The Way Of Blood“. Warum eigentlich immer so kompliziert, fragt man sich da. „Freunde helfen Freunden“ wäre ein viel treffenderer Titel gewesen. Weil Jugendkumpel Busta Rhymes die Platte nicht nur produziert hat, sondern auch die ganze Zeit zu hören ist. Zwischen den Songs und in den Songs und überhaupt. Und wenn er nicht zu hören ist, dann ist gerade mal irgend jemand anders aus der Flipmode Squad an der Reihe. Und alle, wie sie da sind, pflegen sie einen ähnlichen, betont exaltierten Rapstil. Der Einfachheit halber könnte man sagen: Klingt alles wie Busta Rhymes. So oder genau so.

Doch das ist natürlich falsch. Wo liegt also der Unterschied? Rampage hat Hits und Busta Rhymes eben nicht. Machte sich Rhymes noch die Mühe, sein Album „The Coming“ mächtig düster und sperrig klingen zu lassen, hat er sich für Rampage nun freundlichen Funk mit Tasteninstrumenten, Streichern und netten Melodien ausgedacht. Sozusagen als Ergänzung zur eigenen Platte, als Kehrseite der Medaille. Das ist nett, droht aber zu einer Masche, einem Witz zu werden. Kennt ihr schon den von dem netten Irren von nebenan, der immer so... (Pointe selbst einfügen!)?

Aber auch andere Leute haben Freunde. Zum Beispiel Capone-N-Noreaga. Freunde, die sich zum Beispiel Castro, Musolini und Mendosa nennen. Warum die das wohl tun, fragt sich nicht nur das Presseinfo. Die Antwort folgt prompt: „Vielleicht wollten ... [sie] nur einfach drauf hinweisen, daß es sich niemand zu einfach machen sollte, wenn er die Dinge beurteilt. Vor allem nicht vom bequemen europäischen Lehnstuhl aus.“ Preisfrage: Ist ein „europäischer Lehnstuhl“ die Sorte Stuhl, von dem aus man derartige Pressetexte schreibt? Man weiß es nicht.

Eigentlich soll es hier sowieso mehr um Mobb Deeps Einfluß auf Capone-N-Noreaga gehen. Mit den beiden teilen sie nämlich eine Weltsicht, die nicht nur trostlos, sondern auch zappenduster ist: Mord und Totschlag all around the world.

Und besonders in Queens. Wie Mobb Deep kommen Capone-N- Noreaga nämlich von dort her, und so liegen ihre Themen praktisch gleich vor der eigenen Tür. Daß ihr Name sich dann auch noch auf die berühmten drei Buchstaben des beliebten amerikanischen Nachrichtensenders CNN zusammenkürzen läßt, bedeutet Kriegsberichterstattung bis zum Abwinken. Dazu passend der Albumtitel: „The War Report“.

Verhaltensauffällig wurden CNN übrigens mit „L.A., L.A.“, einem Antwortrap auf Tha Dogg Pounds sehr freie Neuinterpretation von Grandmaster Flashs altem Gassenhauer „New York, New York“.

Die beiden Stücke gaben den notorischen Eastcoast-Westcoast-Konflikts noch einmal so richtig Zunder. Da mittlerweile zwei der Streithälse (Tupac Shakur, Biggie Smalls) in mittelbarer Folge des Konflikts ermordet wurden und seither ehemalige Todfeinde sich plötzlich unerwartete Wertschätzung entgegenbringen, kann man sagen, daß „L.A., L.A.“ nicht zuletzt historisch wertvoll ist.

Aber braucht man deshalb das gesamte Album? Nach rein musikalischen Gesichtspunkten jedenfalls nicht und nach inhaltlichen schon zweimal nicht. Statt konsequent und elegant schwermütig wie Mobb Deep, klingen sie eher nach einem irgendwie unentschlossenen Eastcoast-Allerlei. Und die dabei immer und immer wieder wiederholten Versicherungen in Sachen Härte und Straßenkämpfer-Skills zehren ohnehin mächtig am Gemüt. Harald Peters

Rampage: „Scouts Honor ... By The Way Of Blood“ (Elektra/ Eastwest)

Capone-N-Noreaga: „The War Report“ (Tommy Boy/Eastwest)

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