: Florenz an die Spree verpflanzt
■ Internationale Architektengruppe stellt Ideen für den Schloßplatz vor. Konsens mit Senatsplanern: Bibliotheken, eine Stadthalle und Cafes sollen den Platz beleben.
„Eine funkelnagelneue Altstadt. Mit malerischen Höfen, kleinen Plätzen, engen Gassen und ganz und gar ohne Büros“, so hatte der Literat Pavel Kohout in seiner Unbefangenheit die Sehnsucht nach einer wohligen Stube gefaßt. Was der Schriftsteller unlängst in der von Senatsbaudirektorin Barbara Jakubeit initiierten Gesprächsreihe „Schloß – Palast – Haus Vaterland“ sarkastisch umriß, hat nun ein internationales 18köpfiges Planerseminar des Prince of Wale's Institute of Architecture in einem Masterplan umgesetzt. Das Ergebnis kann bis nächsten Sonntag im ehemaligen Staatsratsgebäude begutachtet werden.
Das Projekt, für das Bausenator Jürgen Klemann (CDU) die Schirmherrschaft und das Bauunternehmen Groth + Graalfs das Sponsoring übernommen haben, konkretisiert kurioserweise das „Planwerk Innenstadt“ aus dem Hause des Senators für Stadtentwicklung Peter Strieder (SPD). Daß Klemann ausgerechnet ein Seminar unter seine Fittiche nimmt, das seinem stadtplanerischen Kontrahenten zumindest prinzipiell zuspricht, wollte niemand aus der Senatsbauverwaltung kommentieren.
Der Entwurf der Planergruppe, „Urban Design Task Force“ genannt, orientiert sich am Stadtgrundriß des 17. und 18. Jahrhunderts. Innerhalb des ehemaligen Befestigungsrings, der die Städte Berlin und Cölln sowie die Erweiterung Friedrichswerder umfaßte. Ziel sei es nicht, so Brian Hanson, Leiter des internationalen Architektenseminars, die alten Bauten zu rekonstruieren, wohl aber „ein gutes Grundgewebe von Gebäuden“ zu schaffen, das wieder das „innerstädtische Geflecht von Straßen und Plätzen herstellt und unerwartete öffentliche Wege und Sichtbezüge durch das ganze Gebiet schafft“.
Was da unerwartet sein soll, sind die alten Straßen des historischen Grundrisses, die auch Staatssekretär Hans Stimmann und Dieter Hoffmann-Axthelm im Masterplan City Ost wieder durchbrechen wollen. Blockrandbebauung, kleinparzellierte Bauweise sollen die heimelige Stimmung der ehemaligen Stadtfigur wiederbeleben. Was Stimmann aber mit moderner Formensprache nur dem Grundriß nach rekonstruieren will, spitzen die der Tradition verpflichteten Jungarchitekten auf eine historisierende Gestaltung zu.
Von Friedrichswerder und Alexanderplatz, Lustgarten und Fischerinsel zeigen Federzeichnungen, Aquarelle und Radierungen eine florentinische Kulisse mit einer eigenwilligen Mischung aus Stilelementen der Renaissance. „Die Vergangenheit einer Stadt mit ihrer Zukunft zu verbinden“, nennt das Hanson. Das dreiteilige Gebäudeensemble von Schloß und Schloßfreiheit findet man als florentinische Renaissancepaläste wieder. Davor plätschert der Neptunbrunnen. Gegenüber grünt der Lustgarten.
Auch sonst dominiert eine üppige Formensprache mit dorischen Säulen, Pergolen, Erkern. Die Sehnsucht nach formvollendeter Harmonie führt auf der Fischerinsel unversehens ins deutsche Mittelalter. Kleinteilige Blockbebauungen mit gaubengezierten Häusern und begrünten Innenhöfen umfassen wie Kranzgebinde die Hochhäuser und lassen längst totgeglaubte Träume von heimeligen Gassen und lauschigen Winkeln wahr werden.
„Die Hochhäuser auf der Fischerinsel in eine idyllische Kleinstadt zu sperren“, kommentierte Senatsbaudirektorin Barbara Jakubeit wie den Versuch insgesamt, die Moderne zu eliminieren, für „schlichtweg irrsinnig“. Viel wichiger sei es, die alte Mitte zu beleben, ohne das gewachsene Gesamtbild zu verfälschen, so Jakubeit. Sie könne sich „vorstellen, daß wenigstens das Marx-Engels-Forum als öffentlicher Freiraum auch weiterhin erhalten bleibe“.
Als den „eigentlich großen Wurf“ des Planerseminars wertet der Architekt Andreas von Zadow, daß die Entwürfe des Architektenteams aus einer breiten öffentlichen Diskussion mit Senatsmitgliedern, Wissenschaftlern, darunter Bernd Henningsen und die Generaldirektorin der Zentral- und Landesbibliothek, Claudia Lux, und über 150 Bürgern im Kronprinzenpalais, entstanden sind. Damit liege eine „bürgernahe Vision für die Mitte der Bundeshauptstadt“ vor, schwärmt Hanson. Die Urban Design Task Force, so Zadow, der die Perspektivenwerkstatt mit fünf Arbeitsgruppen moderierte, habe „endlich die Scheuklappenperspektive von Schloß- und Palastbefürwortern überwunden und den Blick auf das alte Stadtzentrum gelenkt“. Weit wichtiger sei es aber, daß man über Nutzungsinhalte und Qualitäten gesprochen habe. Einig sei man sich darin, daß die Zentral- und Landesbibliothek, die sich derzeit im Marstall und in der Amerika-Gedenkbibliothek verteilt, hier mit Einrichtungen der Humboldt-Universität, einer neuen Stadthalle, Cafés, Restaurants und Geschäften den Platz als öffentlichen Raum beleben soll.
Vor allem aber seien die zehn Prinzipien, auf die sich das Bürgerforum und die Architekten für die künftige städtebauliche Entwicklung geeinigt haben, „verbindlich“. Die Forderung nach einem „aufeinander abgestimmten System öffentlicher Räume“, der „Wiederherstellung eines engeren städtebaulichen Rasters“, kommt neben anderen Gesichtspunkten einem öffentlichen Plädoyer für das Planwerk Innenstadt gleich – mit einer Ausnahme: Einer „egozentrischen Architektur, die derzeit überall in Berlin Konjunktur hat“, wird eine klare Absage erteilt.
Laut Claudia Lux haben „das Bezirksamt Mitte und Mitglieder des Abgeordnetenhauses zu erkennen gegeben“, das durch diese Perspektivenwerkstatt angeschobene Verfahren einer breiten öffentlichen Beteiligung zu unterstützen. „Nach den Ergebnissen der Bürgerplanung könnten Senat und der Umzugsbeauftragte der Bundesregierung nicht einfach hinter den Stand der öffentlichen Debatte zurück und einen neuen internationalen städtebaulichen Wettbewerb oder andere Lösungswege von oben starten“, heißt es in einer Stellungnahme dieses Bürgerforums.
Senatsbaudirektorin Jakubeit erklärte gegenüber der taz, daß nächstes Jahr ein internationaler Architektenwettbewerb ausgelobt werde, sobald klar sei, ob und welche Investoren sich in einem public-private Partnership an den Bauprojekten am Schloßplatz beteiligen wollen. Ansgar Oswald
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