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Suche nach dem politischen Schloßplatz

■ Schäuble, de Maizière und Verleger Wagenbach lehnen bei einer Diskussion die bloße Rekonstruktion des Stadtschlosses ab. Zeitgemäße Gestaltung statt Investorenarchitektur

Eine Gestaltung des Schloßplatzes mit Hotels oder einem Kongreßzentrum, wie sie private Investoren im Auge haben, ist für Senatsbaudirektorin Barbara Jakubeit keineswegs eine ausgemachte Sache. Ebenso offen bleibt für sie die Zukunft und Nutzung des Palastes der Republik. Abriß oder Erhalt, Schloßrekonstruktion oder moderner Weiterbau bilden für sie Positionen, die für einen zukünftigen Bauwettbewerb vor Ort bedenkenswert erscheinen.

Um dessen Ansprüche zu klären, hatte die Baudirektorin am Mittwoch abend zu einer hochkarätigen Dikussionsrunde ins Staatsratsgebäude geladen und die Zielrichtung gleich mit vorgegeben: „Es soll der politischen Dimension und Chance der Bauaufgabe am Schloßplatz nachgespürt werden.“ Und präziser: „Ist die Neugestaltung der Berliner Mitte eine nationale Aufgabe, ist hier der zentrale Ort, an dem sich nationales Selbstverständnis in architektonischen Symbolen ausdrückt?“ fragte sie – ganz in Anlehnung an Adolf Arndts berühmten Satz von der „Demokratie als Bauherr“.

So unterschiedlich die Antworten waren, die Jakubeit zum Thema „Auf Distanz zum nationalen Erbe?“ erhielt, in einem stimmten alle Teilnehmer überein: Jede Neubebauung der historischen Mitte der Stadt muß deren politische Dimension wieder unterstreichen. Der Schloßplatz war und bleibt „ein politischer Ort“. Bauwerk und Nutzung sollen dies widerspiegeln. Für Investorenarchitekturen ist hier kein Platz – ebensowenig für nostalgische Schloßfans.

So sieht CDU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble den Ort zwar geeignet, „deutsches Erbe, demokratisches Nationalbewußtsein und europäische Identität“ zur Schau stellen zu können. Dies bedeute jedoch nicht, „für den Wiederaufbau des Stadtschlosses zusammenzulegen“ und die Vergangenheit wiederherstellen zu wollen. Schäuble: „Bloße Restauration ist keine Alternative zur Auseinandersetzung“, das Rad der Geschichte lasse sich nicht zurückdrehen.

Für den Bauhistoriker Wolfgang Pehnt heißt dagegen die Erinnerung an ein nationales Erbe wie das Stadtschloß nicht bloß, daß daran „nur in einer zeitgemäßen Form erinnert werden kann“, da sich Geschichte nicht wiederholen lasse. An dem politischen Ort Schloßplatz müßten auch neue identifikatorische Chiffren gebaut werden: Chiffren föderaler und europäischer Identität.

Diese föderale Dimension wollen allerdings Lothar de Maizière, letzter Ministerpräsident der DDR, oder der Verleger Klaus Wagenbach nicht ohne den Erhalt des Palastes der Republik sehen. Der Palast habe bereits 1990 – durch den Einigungsvertrag – einen Bedeutungswandel zum Neuen durchgemacht, so de Maizière. Darüber hinaus symbolisiere er das Erbe der DDR, das in der Zukunft der Bundesrepublik nicht „entsorgt“ werden dürfe. Ein Abriß käme deshalb einem Verlust jenes nationalen Erbes gleich. Der Exministerpräsident sprach sich für die Nutzung des Hauses aus, ein „funktionsloses Gebäude“ dürfe es nicht bleiben.

Für Wagenbach bleibt der Palast zwar ein „peinliches Bauwerk“, ein „Musterbeispiel deutscher Provinz“. Doch auch diese Geschichte dürfe bei einer zukünftigen Planung „nicht verbrannt werden“. Es komme nun auf einen diskursiven Prozeß an, sagte Wagenbach, die ostdeutsche Geschichte als eine für die deutschen Geschichte integrale zu thematisieren. Dies schaffe erst Identität und die Vorstellung, wie der Schloßplatz einmal genutzt werden könne. Wagenbach: „Bevor man baut, muß man einig sein, was nationales Erbe ist.“ Rolf Lautenschläger

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