: Das bißchen Todesstrafe
Schwuler soll aus Hamburg in den Iran abgeschoben werden. Begründung: Keine Politische Verfolgung. Schwusos entsetzt ■ Von Silke Mertins
Manuel R. kann die Brutalität des deutschen Asylgesetzes nicht begreifen. Der Mann, mit dem der 33jährige Künstler seit vier Jahren zusammen ist, wurde verhaftet und in den Abschiebeknast Glasmoor eingeliefert. „Die können Mohammad doch nicht in den Gottesstaat Iran abschieben, wo auf Homosexualität die Todesstrafe steht.“Die Behörden können das sehr wohl. Denn der Bundesanstalt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ist eine „politische Verfolgung im Sinne des Grundgesetzes“nicht ersichtlich.
Der 24jährige Mohammad G. bräuchte sein Schwulsein doch nur zu verbergen, und schon bestünde keine Gefahr. Schließlich würde „die homosexuelle Veranlagung als solche im Iran nicht bestraft“, sondern nur die „praktizierte Homosexualität“, empfiehlt das Bundesamt dem Flüchtling ein zölibatäres Leben. Den „massiven Strafzumessungen“– etwa die Todesstrafe bei Wiederholung – stünden zudem „äußerst strenge Beweisanforderungen“entgegen.
So richtig will das Bundesamt trotz Bestätigungen des Lebensgefährten und eines psychologischen Gutachtens ohnehin nicht glauben, daß Mohammad schwul ist. Denn das hätte er viel früher und nicht erst jetzt, wo sein Asylantrag abgelehnt ist, sagen können. „Sich als Schwuler zu bekennen, ist ihm unheimlich schwer gefallen“, sagt Manuel. Nicht nur im Iran, auch in der Exilgemeinde in Hamburg sei Homophobie weit verbreitet: „In Persien ist das eine Krankheit.“
Und so lange ist es auch in Deutschland noch nicht her, daß Männer aufgrund ihrer sexuellen Orientierung von Staats wegen ermordet wurden. Die Verfolgung im Iran sei „durchaus mit den Maßnahmen vergleichbar“, denen „Homosexuelle während des sogenannten Dritten Reiches“ausgesetzt waren, begründet Moham-mads Anwalt Philipp Napp den Asylfolgeantrag.
Ein psychologisches Gutachten bestätigt darüber hinaus, daß der Flüchtling „mehrere Jahre“brauchte, um „die Barriere zu durchbrechen“, die er sich in seinem Herkunftsland aufgebaut hatte. Selbst heute sei er „nur mit Mühe und sehr zaghaft“in der Lage, über sein Schwulsein mit Fremden zu sprechen.
Die Schwusos sind über diese Asylpraxis wie die Begründung gleichermaßen entsetzt. Daß ein Schwuler in den Iran abgeschoben werden soll, ist für den SPD-Bürgerschaftskandidaten Lutz Kretschmann „nicht hinnehmbar“. Er habe bereits interveniert und immerhin erreicht, daß Mohammad überhaupt noch hier sei. Ralph Bornhöft, Leiter der Ausländerbehörde, habe ihm zugesagt, „alles zu tun, was in der Macht eines Bundeslandes“stehe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen