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CDU macht Hattig zum Senator

■ Kohl selbst hat den Beck's-Chef ins Wirtschaftsressort gedrängt / „Es wäre einfacher und bequemer gewesen, es nicht zu tun“/ Scherf: „Keine bessere Entscheidung denkbar.“

Josef Hattig wird Bremens neuer Wirtschaftssenator. Die CDU präsentierte gestern den Chef der Brauerei Beck & Co und Präses der Handelskammer als Nachfolger von Hartmut Perschau, der nach dem Rücktritt von Ulrich Nölle ins Finanzressort gewechselt ist. Es besteht kein Zweifel, daß Hattig in der Oktober-Sitzung der Bürgerschaft ins Amt gewählt wird.

Der Top-Manager, seit zehn Jahren Mitglied der CDU, hatte zwar schon früher politische Ambitionen. Dennoch hat der 66jährige nach eigener Aussage heftig mit sich gerungen, ob er seinen für das kommende Jahr angepeilten Ruhestand für die Politik aufgeben sollte. Den Gefühlen nach müßte er „sich selbst Beileid aussprechen“, sagte Hattig, der seit 1972 an der Spitze der Beck's-Geschäftsführung steht. Hattigs Nachfolger bei Beck's wird Götz-Michael Müller, der ohnehin am 30.6.1998 den Chef-Posten übernehmen sollte.

Schon am Montag, dem Tag von Nölles Rücktritt, hatte CDU-Landeschef Bernd Neumann Hattig den Senatsjob angeboten. Bundeskanzler Helmut Kohl habe ihn in einem längeren Telefonat „an seine Pflicht erinnert“, so der Jurist. Es wäre „einfacher und bequemer gewesen, es nicht zu tun“. Aus „Solidarität mit der CDU“und „für diese Stadt“habe er aber anders entschieden. Ob er über die Legislaturperiode hinaus zur Verfügung stehen werde, ließ Hattig offen: „Das muß der Wähler entscheiden“.

Die Erfahrungen des Managers Ulrich Nölle, der als Quereinsteiger mit der „Grüppchenbildung“auf dem politischen Parkett viele Probleme hatte, schrecken Hattig nicht. „Ich habe gute Schuhsohlen und keine Probleme, mich auf den verschiedensten Parketts zu bewegen“, auch wenn er nicht „im Kindergarten der CDU aufgewachsen sei“, sagte Hattig.

Über die inhaltliche Arbeit im Wirtschaftsressort wollte sich Hattig noch nicht äußern. Die wesentlichen Entscheidungen für die Projekte aus dem Investitionssonderprogramm (ISP) seien gefallen, die Vorarbeit seines Vorgängers Perschau werde er „dankbar annehmen“. Von Hattig heißt es allerdings , er sei keineswegs glücklich über die Pläne für Space- und Oceanpark. Eine Ablösung von Wirtschaftsstaatsrat Frank Haller, der als Vorsitzender der oppositionellen AfB im Gespräch ist, scheint nicht vorgesehen. „Wir werden freundlich miteinander umgehen“, kündigte der neue Chef an, „der Sache wegen“.

Daß Hattig einen neuen Wind an den Kabinettstisch bringen wird, wurde gestern bei der Pressekonferenz deutlich. Auf die Frage, ob Hattig sein Mandat als Aufsichtsratsschef der Deutschen Post AG behalten werde, drängte sich Perschau vor. Der Senat werde die Aufsichtsratstätigkeit des Kollegen genehmigen. Kohl habe zugesichert, daß Hattig den Posten behalten könne, verkündete Perschau strahlend. Der Noch-Manager reagierte leicht gereizt: „Ich kann meine Fragen selber beantworten“.

Der Koalitionspartner SPD nahm den Personalvorschlag der CDU positiv auf. Bürgermeister Hennig Scherf erklärte, eine bessere Entscheidung sei kaum denkbar. Die Opposition reagierte verhalten. „Die Führung eines politischen Ressorts ist etwas anderes als die Führung eines Unternehmens“, gab die AfB zu bedenken. Die Grünen sind gespannt, wie es der „engagierte Kritiker Bremer Politik“besser machen werde. Ein Interessenausgleich zwischen Ökologie und Ökonomie sei von Hattig kaum zu erwarten. Joachim Fahrun

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