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„Daß die DVU drin ist, ist ja nicht verkehrt“

Die rechtsextreme DVU zieht in vier Bezirksversammlungen ein. Mit die höchsten Stimmenanteile errang sie im Bezirk Mitte: mehr als 11 Prozent in den Stadtteilen Horn und Hamm. Vor Ort war gestern  ■ Elke Spanner

„Guck mal“, sagt Heinz G., bleibt vor dem Schaufenster des kleinen Zeitungsladens stehen und tippt mit dem Zeigefinger auf eine Schlagzeile: „Entsetzen über Rechtsradikale. Hah!“Er schmunzelt. Die Aufregung kann der agile Rentner nicht verstehen. 11,3 Prozent der Stimmen bekam die rechtsextreme DVU in seinem Stadtteil Horn. Auch er hat dafür gesorgt, daß es so viele wurden: „Ich bin 76 Jahre“, sagt er vielsagend, „und wie es uns heute geht, bin ich für die DVU“. Wie geht es ihm denn? „Eigentlich sehr gut.“

Auf der Schnellstraße brettern schwere LKWs vorbei. Die Fußwege sind nahezu leer. Nur zwei ältere Frauen laufen, die Einkaufstaschen in der Hand schlenkernd, zielstrebig auf den Penny-Markt zu. An der Rückseite steht ein muskulöser junger Mann. Sein Oberkörper ist frei, nur Tattoos von Stieren und Totenköpfen schmücken Rücken, Schulter und Brust. Er posiert vor den spiegelnden Schaufenstern des Supermarktes, schwingt sein T-Shirt wie ein Lasso über dem Kopf. Zwei Jungs gehen vorbei, gucken abfällig amüsiert. Sie können noch mit Leichtigkeit ihre Scherze über den traurigen Anblick machen.

Einer älteren Frau und ihrer Tochter ist diese Leichtigkeit schon lange vergangen. Eingehakt stehen sie an der Bushaltestelle. Die Sonne strahlt der Mutter frontal ins Gesicht, doch nicht allein von der Helligkeit kommt ihr verkniffenes Gesicht. „Daß die DVU drin ist, ist ja nicht verkehrt“, sagt sie knapp, denn „Ordnung muß sein“. Das findet ihre Tochter auch. „Sonst tut ja keiner was“, schimpft sie und zupft ihren Trenchcoat in Form. Was die Parteien tun sollen, kann sie auch nicht sagen. „Jedenfalls traut man sich gar nicht mehr auf die Straße.“Ist nicht erst vorige Woche in Hamburg jemand angeschossen worden? Ein älteres Ehepaar schlendert vorüber, schnappt auf, worum es geht. „Daß die DVU reingekommen ist, finde ich gut“, sagt der Mann und zieht seine Frau an der Hand über die Ampel.

Insgesamt erzielten die rechten Parteien in Hamburg nicht mehr Stimmen als vor vier Jahren. Die Zahl sackte sogar von 7,6 auf 6,9 Prozent ab. Die Republikaner, die bislang in Mitte und Harburg vertreten waren, flogen raus, die DVU kam dafür in vier Bezirksparlamente rein. 1993 waren noch die Republikaner die „Hoffnungsträger“frustrierter Rechtswähler. Doch in der Bezirksversammlung traten sie schlicht nicht auf. Den anderen Parteien fiel es deshalb auch leicht, die Rechtsradikalen zu ignorieren.

Für die kommende Legislaturperiode allerdings befürchtet Hartwig Kühlhorn, Vorsitzender der CDU-Fraktion Mitte, Schlimmeres. „Ich fürchte, daß die DVU auch einen Sitz in den Ausschüssen bekommt und dann dort aggressiv agiert.“Ebenso wie bislang die Reps will er die DVU-Abgeordneten ignorieren, „aber wenn sie das Parlament für volksverhetzende Reden benutzen, muß man das unterbinden“.

Auch die GAL hegt Zweifel, daß die DVU ihnen die Ausgrenzung so leicht macht, wie die Republikaner es taten. Die Abgeordnete Helmke Kaufner etwa hält es bei den hohen Prozentzahlen für sinnvoller, offensiv mit der DVU umzugehen – was für sie heißt, auch inhaltlich auf die Neonazis zu erwidern.

Ratlos sind alle beim Versuch, den Zulauf der rechten Parteien zu erklären. Gängig ist die Erklärung mit den sozialen Brennpunkten, mit der hohen Arbeitslosigkeit, der Lehrstellenmisere und dem beengten Wohnraum. Für die meisten Stadtteile in Mitte, wie Billstedt, St. Pauli oder die Veddel, trifft das auch zu. Anders ist die Sozialstruktur aber in Hamm und Horn – und hier war der Anteil der DVU-Wähler am stärksten. Der Ausländeranteil liegt zwischen sieben und 28 Prozent, während er in einigen Gegenden von St. Pauli über 40 Prozent beträgt. Auch der Anteil der Arbeitslosen ist geringer, er schwankt zwischen sechs und neun Prozent. In St. Pauli sind es 13,2.

Auffällig ist in den beiden Stadtteilen im Osten Hamburgs jedoch, daß dort überdurchschnittlich viele ältere Menschen leben. „37 Prozent der Bevölkerung ist über 60 Jahre alt“, weiß Altenpfleger Thomas K. „Viele Alte behaupten, die Ausländer bekommen alles, wir nichts. Deshalb wählen sie DVU.“Auch die schwarze Deutsche Dalia K. hat derartige Gespräche zwischen Alten schon oft mitanhören müssen, im Bus, beim Einkaufen, im Park. „Ob die das noch von früher im Blut haben?“

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