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Balkongemüse auf verbranntem Toast

■ Dr. Blohm und Kollege Voss schlagen sich im Modernes durch den Jungle der Reggae-Nachfahren

In Zeiten der Rezession erleben die Vertreter von Roots-Ragga und Dub enormen Aufwind. Jungle und Raggamuffin stellen die Toningenieure in den Vordergrund, und beim „Ariwa Showcase“am Freitag im Modernes war der Mann hinter den Reglern niemand geringeres als Mad Professor, der genial verrückte Wissenschaftler, dessen Ruf den Londoner Ariwa-Studios vorauseilt.

Dr. Blohm und Herr Voss ließen sich von plätschernden Soundwellen umspülen und zu ausufernden Erklärungen hinreißen.

Dr. Blohm: Haben Sie den Namen des ersten Toasters verstanden?

Herr Voss: Nein, aber die Band müßten bereits die Robotniks sein.

Dr. Blohm: Was machen Sie denn da, Voss ?

Herr Voss: Ich bereite mich entsprechend vor. Ich habe extra den Balkon abgeerntet.

Dr. Blohm: Wir sind dienstlich hier. Wenn Frau Kern Sie sehen würde, sind sie ein gewesener Gästelistenschnorrer.

Herr Voss: Sie wollten unbedingt auf ein Reggae-Konzert.

Dr. Blohm: Es ist Dub, das ist was anderes. Dub kommt aus England.

Herr Voss: Sie wollen wirklich nicht mal ziehen? Ah, Macka B. betritt die Bühne.

Dr. Blohm: Super Ape Lee Perry hat den Mann mal als ein „falsches Image“bezeichnet.

Herr Voss: Ein schöner Anzug, aber der Mann redet wie ein Pädagoge.

Dr. Blohm: Er redet nicht, er toastet!

Herr Voss: Na, wenn da mal nichts anbrennt.

Dr. Blohm: Ein bißchen Agit Dub kann niemand schaden. Die Sache mit dem Sexismus kann nicht oft genug gesagt werden.

Herr Voss: Immer diese Leute, die einem die Currywurst vermiesen wollen.

(Anmerkung von Frau Kern: Für diese unverhohlen sexistisch unterwanderten Fleischfresser-Parolen lehnt die taz-Redaktion jede Verantwortung ab)

Dr. Blohm: Nuckeln Sie doch einfach weiter an Ihrem Joint wie alle anderen.

Herr Voss: Wer von diesen Vögeln ist denn nun der Mad Professor.

Dr. Blohm: Der Mann am Mischpult. Da stehen aber so viele Leute rum, daß er gar nicht zu sehen ist.

Herr Voss: Sie meinen, wir sind wegen des Mixers hier ?

Dr. Blohm: Mad Professor ist ein Künstler an den Effektgeräten. Er spielt mit dem gesamten Sound. Merken Sie, wie dieser sanfte Hall durch Ihren Körper zieht ? In Sachen Dancehall geht es um den Gesamteindruck. Sie sind viel zu sehr in Ihren Rock-Schematas verfangen.

Herr Voss: Na, der Gitarrist möchte aber auch ganz gerne mal rocken. Gerade am Anfang konnte der nicht genug verzerren, aber jetzt hat der Herr Professor ihm wohl einen Wink gegeben.

Dr. Blohm: Ein bischschen eintönig ist das ganze schon. Jede Ansage zur Legalisierung von Gunjah wird bejubelt wie der Single-Hit bei einem Boygroup-Konzert.

Herr Voss: Haben Sie erwartet, daß bei einem Reggae-Konzert etwas Neues passiert ?

Dr. Blohm: Es ist kein Reggae-Konzert,...., ach, geben Sie mir auch einen Zug.

Herr Voss: Danach findet noch eine Molecular Beats-Party statt, aber ich hörte, daß nur einer von vier DJs aus England angereist ist.

Dr. Blohm: Gehen wir lieber zur After Show-Party ins Velvet. Da legt der gefürchtete Captain Rah-Ba-Dub auf.

Herr Voss: Ich habe auch noch einen neuen Mix mit Bruce Lee-Soundtracks und einen alten Rotwein daheim.

Dr. Blohm: Voss, das war Ihr bester Vorschlag seit langem...

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