: Baden für die Bibliotheken
Lieder gegen den Bildungsklau, Verkehrsblockaden und Schwimmen in der Alster: Splitter des Hamburger Hochschulstreiks sammelte ■ Ralf Streck
Ein Dutzend trällernder Menschen steht vor einem Buchladen in der Bundesstraße und bringt dem Publikum christliches Liedgut näher: Vor dem Nikolaustag singen StudentInnen der Evangelischen Theologie gegen den Bildungsklau an. Wie viele andere Studierende trieb es sie gestern wieder aus den Hochschulen auf die Straßen, um ihren Unmut deutlich zu machen über Studiengebühren und spärlich ausgestattete Bibliotheken.
„Frustiert und hilflos fühlen wir uns schon“, sagt die Theologiestudentin Katja Goerke. Schließlich haben sie und ihre KommilitonInnen von Politikern zwar viel Beifall erhalten für die Proteste gegen das neue Hochschulrahmengesetz, „aber konkret haben wir nichts erreicht“. Entmutigt ist Goerke dennoch nicht. Um 16 Uhr geht sie weiter in die Mönckebergstraße, wo die StudentInnen um ihre Bildung trauern: Mit einem Sarg auf den Schultern tragen sie Uni-Wissen symbolisch zu Grabe.
Tatsächlich besteht kein Grund zum Frust über den Streik an Hamburgs Hochschulen. Immer mehr Studierende boykottieren Vorlesungen und Seminare, und die HamburgerInnen sind klar auf ihrer Seite. Wie der Bauarbeiter Dieter Fritsche, dessen 32jährige Tochter ihr Studium schon hinter sich hat. Er hat Verständnis für den Protest: „Sonst macht der Staat mit uns, was er will“, erklärt er am Rande eines Demonstrationszuges. Auch zwei Angestellte aus dem mittleren Dienst, die mit ihrem Auto nicht vorwärts kommen, weil Studierende gerade die Lombardsbrücke blockieren, geben sich belustigt-solidarisch: „Die müssen ja schließlich noch was für unsere Rente tun“.
„Natürlich, wir sind dafür“, stimmt auch der Spanischdozent Campos in den Protest ein. Dennoch sieht er die Streik-Aktionen kritisch: „Ich glaube nicht, daß die Mittelklassekinder unter den Studenten sich bisher viele Gedanken gemacht haben über die fehlenden Ausbildungsmöglichkeiten für die tieferen sozialen Klassen“.
Nur ein alter Herr mit Schiebermütze kann dem Protest gar nichts abgewinnen. „Ich halte nichts von Streik und Demonstrationen“, verkündet er. „Die sollten doch besser was lernen.“
Da ihr Protest bisher zwar zur Kenntnis genommen wurde, aber noch ohne Konsequenzen geblieben ist, denkt die Theologiestudentin Katja mit ihrer Gruppe über weitergehenden Aktionen nach. „Ich bin zwar absolut gegen Gewalt“, erklärt sie, „aber vielleicht müssen wir anfangen, Autobahnen zu besetzen.“
Zunächst setzen die TheologInnen jedoch auf Selbstkasteiung: Am Dienstag um 14 Uhr gehen sie in der Alster baden. Unmißverständlich wollen sie klar machen, daß mit dem Widerstand der Evangelischen Theologie auch in Zukunft zu rechnen sein wird.
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