: Stalinisten erfinden ihre Unterstützung
■ Wie kommt man auf ein Demo-Plakat, ohne vorher je gefragt worden zu sein. Einige „Aufrufer“ der Kreuzberger Demonstration sind sauer
Unterdrückte aller Stadtteile, vereinigt euch! Diesen Eindruck vermittelt das diesjährige Plakat der dogmatischen „revolutionären 1.Mai-Demo“ in Kreuzberg. Unter dem Slogan „Wir rufen auf“ firmieren gleich 200 Unterstützer der Kreuzberger Demo als Aufrufer und Verantwortliche. Für das Plakat selbst zeichnet dagegen niemand verantwortlich.
Doch die Front der „Unterdrückten“ wirkt nur auf den ersten Blick beeindruckend. Wer ist da echt, wer erfunden? Diese Frage drängt sich einem geradezu auf, wenn neben den „Revolutionären Kommunisten (RK)“ und der „Kommunisten Partei der Türkei/ Marxisten-Leninisten (TKP/ML)“ auch „Dirk B. (arbeitslos, Friedrichshain)“, „Cemal B. (Asylant, Spandau)“ oder „Hakan K. (Schüler, Wedding)“ zur Kreuzberger Revolution aufrufen.
Auffällig ist auch, daß nicht nur zahlreiche Kreuzberger und Weddinger „Jugendliche“ und „Arbeitslose“ die TKP/ML-Demo unterstützen, sondern auch viele „Gesinnungsgenossen“ aus den östlichen Bezirken. Hier war in der Vergangenheit immer wieder Kritik an der „stalinistischen“ Demo geübt worden.
Der Versuch der TKP/ML, auch im Osten Flagge zu zeigen, erfolgt freilich mit fragwürdigen Mitteln. Das Café Schwarz-Sauer in der Kastanienallee jedenfalls unterstützt die Kreuzberger Demonstranten nicht. Dennoch steht es auf dem Plakat. „Das ist ein Ding“, kommentierte der Betreiber, als er von der „revolutionären Umarmung“ erfuhr. „Wir wurden nie gefragt, ob wir auf dem Plakat stehen wollen.“
Damit steht das Café Schwarz- Sauer nicht alleine. Auch die Kulturinitiative „Förderband“ in Mitte ist ohne eigenes Wissen und Zutun auf das Mai-Plakat geraten. Sehr zum Ärger von Förderband- Sprecher Werner Fischer, der Wert auf die Feststellung legt, daß Förderband „zu keinem Zeitpunkt und niemandem gegenüber sein Einverständnis zur Unterstützung dieses obskuren Aufrufs“ erteilt habe. Als Kultur- und Beschäftigungsträger, so Fischer, „setzt Förderband alle seine intellektuellen und materiellen Ressourcen zur Aufrechterhaltung der soziokulturellen Arbeit ein“. Pseudorevolutionäre Attitüden entsprächen nicht dem geistigen Profil des Vereins. taz
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