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■ Kubas FernsehenSchwule Offensive

Havanna (IPS) – Das staatliche Fernsehen Kubas hat mit einer TV-Sendung über Schwule und Lesben eine öffentliche Diskussion über das bislang totgeschwiegene Thema Homosexualität losgetreten. Kubas Homosexuelle mußten bis zum vergangenen Jahr sogar mit Haftstrafen rechnen und wurden noch in den 60er Jahren zum Arbeitsdienst auf dem Land zwangsverpflichtet. Die Stimmung gegen die nach neuesten Schätzungen mindestens 3 bis 6 Millionen homosexuellen Kubaner ist immer noch von Vorurteilen bestimmt.

Denen will jetzt das vom sechsten staatlichen TV-Kanal ausgestrahlte Programm „Vale la pena“ (Es ist der Mühe wert) die Grundlage entziehen. Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr hat Moderator Manuel Calvino das Reizthema in den Mittelpunkt gestellt. Der Psychologieprofessor an der Universität Havanna brauchte ganze 15 Minuten, um die häufigsten Vorurteile gegen Homosexualität zu entkräften. Zugleich forderte er die Millionen Zuschauer des beliebten Abendprogramms zu mehr Toleranz auf.

Einzig Künstler konnten es sich bisher erlauben, das heiße Eisen anzufassen. So spielt Homosexualität etwa in dem auch hierzulande erfolgreichen Film „Erdbeer und Schokolade“ von Tomas Gutierrez Alea eine wichtige Rolle. Indem jetzt auch die parteigelenkten Medien nachziehen, hat das Thema aber eine völlig neue Dimension erhalten. Ein erstes Zeichen hatte die Regierung im vergangenen Jahr mit einer Strafrechtsreform gesetzt. Gegen Schwule, die ihre Neigung öffentlich leben, können seitdem keine Geldbußen und Haftstrafen mehr verhängt werden. Eine Razzia in einer Gay-Bar in Havanna im letzten August weckte dann aber Befürchtung, es werde wieder ein härterer Kurs eingeschlagen.

Aus Umfrage der Wochenzeitung Juventud Rebelde unter 75 Schwulen in Havanna ging allerdings hervor, daß die Alltagsprobleme noch schwer genug wiegen. 40 Prozent der Befragten befürchten, wegen ihrer Neigung abgelehnt zu werden. Rund 33 Prozent gaben Schwierigkeiten in der Familie an, und 20 Prozent halten ihr Sexualleben vor den Verwandten geheim. 27 Prozent versuchen gar, als heterosexuell durchzugehen.

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