: Das Glück ist gerade auf großer Europareise
■ Bayer Leverkusen verliert im Uefa-Cup gegen die coolen Glasgow Rangers mit 1:2
Leverkusen (taz) – Jetzt also auch noch die Schotten! Gerade die Schotten. Ausgerechnet die Schotten. Mußte das sein? Wenn man Jörg Albertz fragt, schon. Jörg „George“ Albertz ist quasi Halbschotte, seit er vor ein paar Jahren vom Hamburger SV zu den Glasgow Rangers wechselte. Er spricht schottisches Englisch, und das mit hochrotem Kopf, und sein bulliger Schuß hat ihm den Beinamen „The Hammer“ eingebracht. Wenn er sich in Deutschland umhört, registriert er, daß man hier „die schottische Liga nicht so stark“ einschätzt. Das mißfällt ihm. Und darum war das Spiel in der Bayarena zu Leverkusen eine Genugtuung. Hinterher gab er mit glühendem Kopf zufriedene Interviews, abwechselnd schottisch und deutsch. Meist ging es um „Unterschätzung“.
Die schlechte Meinung über die fußballerischen Qualitäten der Schotten stützt sich unter anderem darauf, daß die Rangers immer Meister werden, anschließend international aber meist sehr erfolglos spielen, zum Beispiel gegen Schweizer Vereine. Selten werden die Rangers nicht Meister, dann müssen sie im Uefa-Cup spielen. Dort tritt gerade auch Bayer Leverkusen an, das ebenfalls eigentlich meint, in die Champions League zu gehören. Am Donnerstag trafen die beiden Vereine in diesem für sie falschen Wettbewerb aufeinander. Die Bayer-Elf verlor 1:2. Das war überraschend. Denn eigentlich ist Leverkusen ziemlich heimstark, Trainer Christoph Daum nennt das „mit Herz in den Füßen“ spielen.
In dieser Partie funktionierte das nicht. „Willen und Aggressivität“ vermißte Libero Jens Nowotny ratlos. Er selbst hatte mit einem Fehlpaß im Mittelfeld das 0:2 eingeleitet. Das war „vermeidbar“ (Nowotny). Verwunderlich war, daß den Leverkusenern im offensiven Spiel nicht viel mehr einfiel, als zu spielen, wie eigentlich Schotten es tun. Hohe und halbhohe Bälle, viel Glück. Die Schotten sahen's mit Wohlgefallen und spielten selbst einfach cool. Nicht brillant, nicht ungestüm, nicht filigran, nicht leidenschaftlich. Sondern cool. Mit einem System, das elf Spieler ohne Glanz ordentlich beherrschten. Eine sturzsolide Viererkette in der Abwehr, davor eine interessante Reihe mit Albertz links außen, dem Russen Kanchelskis rechts und in der Mitte dem Holländer van Bronckhorst und dem 20jährigen Schotten Barry Ferguson. Schließlich zwei ordentliche Angreifer, englisch und finnisch. Dann war auch noch ein Australier dabei und im Tor ein Franzose, und der Kapitän, der gerade gesperrt war, ist ein Italiener und so weiter und so fort. Man sieht: Die Rangers haben „allzu viele Schotten sowieso nicht mehr in der Mannschaft“. Erläuterte Albertz. Und sagt es so, als wolle er verdeutlichen: Es ist doch kein großes Wunder, daß wir mehr als kick 'n' rush können, so international wie wir sind. Der dazugehörige Trainer ist naheliegenderweise Niederländer.
Und Dick Advocaat war zufrieden mit diesem Auftritt, wohl auch ein bißchen überrascht, weil seine Elf aus zweieinhalb Chancen zwei Tore gemacht hatte. Christoph Daum konnte natürlich nicht zufrieden sein. Das Flügelspiel war miserabel, die Verwertung der raren Chancen schlecht. Vor allem weil Paulo Rink, der den verletzten Kirsten ersetzte, in erbarmungswürdiger Verfassung ist. Rink ist eine traurige Gestalt, spätestens seit er als eingebürgerter Brasilianer auf der Maltareise seine ersten und mutmaßlich vorerst letzten Einsätze im deutschen Nationalteam hatte. Gegen Glasgow gelang es dem Stürmer, alle Chancen zu vergeben, die es überhaupt für Leverkusen gab. Es bedurfte des eingewechselten Nachwuchsspielers Reichenberger, um in der Nachspielzeit den Anschlußtreffer zu erzielen.
Vielleicht wäre mit Kirsten manches anders gelaufen. Und man sollte nicht aus einem einzigen Fußballspiel gleich alles ablesen, zumal nicht in diesen interpretationsintensiven Wochen. Aber andererseits paßt es gerade und zwar immer. Malta, Moldawien, Genk, Brügge, Glasgow. Immer gibt es einfache Fußball-Lektionen zu lernen. Christoph Daum sieht im Rückspiel noch eine „Restchance“. Das muß er so sehen, sagte er: „Optimismus is written in my contract.“ Nur ist Optimismus ungefähr so verläßlich wie Glück. Und das Glück ist gerade auf Europareise. Katrin Weber-Klüver
Glasgow Rangers: Charbonnier – Porrini, Hendry, Wilson, Vidmar – Kantschelskis, B. Ferguson, Van Bronckhorst, Albertz – Wallace (87. Durie), Johansson (79. I. Ferguson)
Zuschauer: 22.500; Tore: 0:1 van Bronckhorst (45.), 0:2 Johansson (64.), 1:2 Reichenberger (90.)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen