Lebensband statt Todesstreifen!

Am Mauerstreifen hat sich eine erstaunliche Vielfalt menschlicher Biotope entwickelt, die sich der Ellbogen-Gesellschaft entgegenstemmen. Doch jetzt ist Gefahr im Verzug. Ein Aufruf zur Hilfe  ■   von Rüdiger Kind

„Für manche Menschen ist die ehemalige innerdeutsche Grenze noch immer ein Ort des Schrekkens. Nur zu verständlich, denn viele mußten hier ihr Leben lassen ...“ So ein aufrüttelndes Werbeschreiben der Organisation BAND, in dem sie um Unterstützung für ihr Anliegen bittet. „So gewalttätig und schmerzlich die Trennung für uns Menschen war, die Lebenskraft hat sich gerade auf dem Grenzstreifen besonders reich entfaltet. Von der Ostsee bis ins heutige Tschechien hat sich ein Band von ungewöhnlich lebensvollen Biotopen für Atomkraftgegner, Naturfreaks und Dissidenten gebildet. Dies wollen wir vom BAND als 'Grünes Band‘ des Lebens und als Zeichen für die überwundene Trennung in Deutschland erhalten.“

Ein grünes Band der alternativen Sympathie mitten durch Deutschland – eine Superidee. Doch was ist so Besonderes an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze? Viele bedrohte Arten, die hüben wie drüben in der kapitalistischen Ellbogengesellschaft keinen Platz mehr fanden, zogen sich nach der Wende auf den ehemaligen Todesstreifen zurück und machten aus ihm ein Netz des Lebens – und des Überlebens. Inzwischen haben sich die Biotopinsassen zu Gruppen zusammengerottet, die die Öffentlichkeit mit ungewöhnlichen Aktionen auf ihr Anliegen aufmerksam machen möchten.

Wer heute etwa unser sorgenzerfurchtes Land nahe des Ex-Grenzstreifens durchwandert, der erlebt nicht nur verschwiegene Wälder, saftige Wiesen und grünlich schillernde Auen, der kann auf einsamen Feldwegen in einem der emotional schwierigsten und ökologisch aufgeladensten Landstriche Deutschlands Erstaunliches erleben:

Da wird eine Rotte Ostbürger sichtbar, die auf freiem Feld Schwerter zu Gemüsehobeln umschmieden, dort gruppiert sich ein Häuflein Friedenspastoren zum Morgengebet um die Überreste eines Wachturms, hier wiederum hegt eine biologisch-dynamische Erntebrigade ihr Kräutergärtlein nahe dem ehemaligen Kolonnenweg.

Wie an einer langen Perlenkette reiht sich auf etwa 1.400 Kilometern ein Juwel ans andere. Seltene Arten wie Montagsdemonstranten, Mauersegler, Ostermarschierer, Kirchentagsbesucher mit lila Halstüchern, Ziegenmelker und Atomkraftgegner haben hier letzte Rückzugsräume für ihre Lebensweise gefunden.

BAND hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Pracht für das vereinte Deutschland zu bewahren. Aber Gefahr ist im Verzug – oder, um es mit den Worten eines Harzer Heimatdichters auszudrücken: Die Kacke ist voll am Dampfen. Vor allem durch intensive Landwirtschaft wird die wertvolle Biotopkette derzeit massiv beschädigt. So pflügen Landwirte hemmungslos wertvollste Feuchtbiotope um – immerhin Refugien linksautonomer Ausdruckstänzer –, während keine zwei Kilometer weiter versucht wird, Überproduktion mit Flächenstillegungsprämien zu bekämpfen.

Inzwischen hat sich die Lage dramatisch zugespitzt: Nach dem sogenannten Mauergesetz durften frühere Eigentümer Anträge auf Rückübertragung stellen. Mehrere tausend Anträge sind eingereicht worden. Wenn diesen stattgegeben wird, ist das Grüne Band endgültig zerschnitten und eine große Chance für den Minderheitenschutz in Deutschland vertan.

Es liegt an uns, ob wir die atemberaubende Dissidentenvielfalt entlang des Grünen Bandes links liegen lassen oder das Geld aufbringen, um wenigstens die wichtigsten Dinosaurier der 68er-Bewegung zu retten! – Schon mit einer Spende von 50 Mark sichern wir beispielsweise 100 Quadratmeter eines Auengrundstücks für die erste gesamtdeutsche Kifferkommune. – 100 Mark helfen uns, einen halben Hektar Weidefläche für die Schäferkooperative Wollsocke zu bewahren. – Und mit 500 Mark können Sie sicherstellen, daß die Nackttöpfervereinigung Wernigerode weiterhin eine ruhige Scheibe drehen kann.

Helfen Sie, damit aus dem Todesstreifen eine echte soziale Hängematte wird!

Wer heute unser Land nahe dem Ex-Grenzstreifen durchwandert, kann Erstaunliches erleben