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■ Experimente mit Sperrmüllfunden
Ein Lied brachte die Befindlichkeit der Woodstock-Generation auf den Punkt – ein Schlager! 1972, drei Jahre nach dem Festival, besang Juliane Werding die „Kinder des Regenbogens“: „Und sie zogen in ein abbruchreifes Haus / Dann hat Tom die Wände tapeziert / Und Mike die Fenster repariert / Katja strich das Treppenhaus bunt an.“ Improvisation war für die Jugend jener Jahre alles, Design nichts.
Zwei Wochen vor dem Festival, im Juli 1969, waren die ersten Menschen auf dem Mond herumgestolpert – doch avantgardistische Weltraummöbel galten in Studentenkreisen als Schnickschnack des Establishments. Auch die im Woodstock-Jahr aufkommenden Wohnlandschaften waren elitär und teuer. Lieber experimentierte die Jugend mit Sperrmüllfunden. Dank greller Farben entstanden aus gründerzeitlichen Monstren poppige WG-Küchen.
Funktionalität – wozu? Wichtiger war das soziale Experiment, das Leben mit Gleichgesinnten, die Aufhebung von Besitzdenken und Privatheit, das Ablegen von Erziehungszwängen. In der Realität freilich wurde die latent frivole Matratzengruft bald gegen das minder progressive Hochbett getauscht: Wenn es schon kein separates Schlafzimmer gab, so doch zumindest ein dem kollektiven Wohnalltag enthobenes Nest für die Nacht.
Das Ende von Juliane Werdings WG war jäh: „Eines Tages kamen Leute / Brachen alle Türen auf / Und zerstörten Stein für Stein das schöne Haus.“ Dieses romantische Schicksal wurde zehn Jahre später Hausbesetzerrealität, die meisten WGs dürften allerdings an ihrer stillen Verbürgerlichung zerbrochen sein: Die Kinder des Protests machten schließlich doch Karriere, bekamen selbst Kinder und heirateten.
Reinhard Krause
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