: Der virtuelle Ole von Beust
CDU-Fraktion wähnt sich mit Internet-Seite auf Weg ins nächste Jahrtausend ■ Von Peter Ahrens
Tatsächlich, es klappt. CDU-Fraktionschef Ole von Beust drückt die Maustaste, und es erscheint Ole von Beust. Der verkündet auf dem Bildschirm Visionäres: „Auf unserem Weg in das nächste Jahrtausend entwickelt sich das Internet zu dem weltweit führenden Informationsmedium.“ Auf dem Weg ins nächste Jahrtausend will die CDU-Bürgerschaftsfraktion nicht am Wegesrand stehen und zuschauen und hat deshalb gestern ihre Internet-Seite www.cdu-hamburg.de bei Putenbrust-Häppchen und Prosecco vorgestellt.
Der Ort der Veranstaltung ist von Symbolik schwanger. Das Völkerkundemuseum an der Rotenbaumchaussee ist entstaubt, und so will auch die CDU in der Stadt daherkommen. Ole von Beust ist dafür der richtige Mann, und er kennt die richtigen Begriffe: „Innovativ, kommunikativ, modern“ will die CDU sein. Das soll sich zumindest in der virtuellen Realität auch niederschlagen. Die bisherige Homepage der Hamburger Union, auf der als erstes das Konterfei des Landesvorsitzenden und ewigen von Beust-Konkurrenten Dirk Fischer prangt, sei „ja ganz nett, aber hausbacken“. Das will die Fraktion nicht sein, und daher hat sie mit Jens Schönfelder einen Marketingreferenten eingestellt, der die Internetseite pflegen und immer auf den neuesten Stand bringen soll.
Schönfelder präsentiert auf der Homepage als erstes „unsere Mitarbeiter-Motivationsleiste“: Auf der tickt die Uhr bis zur nächsten Bürgerschaftswahl: Noch höchstens 749 Tage, fünf Stunden, 17 Minuten und 10 Sekunden liest man da. In 749 Tagen soll Ole von Beust Hamburgs Bürgermeister sein – das ist die unausgesprochene Botschaft der tickenden Uhr.
Klickt man weiter, kann man sich die Porträts aller CDU-Leute aus der Bürgerschaft abrufen. Die dürfen zu ihrem Passbild ein paar demokratische Kalendersprüche zu ihrer Person zum Besten geben: „Ziel ist es, Ansprechpartner für die Menschen zu sein und mich für ihre Belange in den Gremien einzusetzen“ liest zum Beispiel, wer Bettina Pawlowski anklickt.
Als nächstes strandet der Surfer im „Pressetool“ oder bei der Liste aller Anfragen, die die CDU-Fraktion in der Bürgerschaft gestellt hat oder im Fanartikelshop, wo die CDU-Tasse: „Jammert mir nichts vor“ (sechs Tassen zum Vorzugspreis von 29,93 Mark) oder der CDU-Schirm („Der neue CDU-Maxi-Schirm bietet Platz für die ganze Familie“) käuflich erwerben kann, wer mag. Beitrittserklärungen gibt es auch.
Politik ist nicht nur Politik – das weiß auch die CDU sehr gut. „Für alle Norddeutschen“ stellt ein „macromedia animierter Seemann“ plattdeutsche Quizfragen: „Wat ist een hutjepanuttje?“, und dann sind da noch die Gastro-Tipps: „Hier stellen Fraktionsmitarbeiter ihren Geheimtipp vor.“
„Wir wollen die Informativsten und Aktuellsten in der Hamburger Politszene sein“, sagt von Beust noch. Stunden später in der taz-Redaktion der Versuch, die Seite im Internet aufzurufen. Es erscheint: „Hier entsteht zur Zeit die Internet-Präsentation der CDU-Bürgerschaftsfraktion.“ Ansonsten bleibt der Bildschirm schwarz und die Küche mit den Gastro-Tipps kalt. Schönfelder erklärt auf Nachfrage etwas von „linksdrehenden und rechtsdrehenden Servern, bei denen es etwas länger dauern könnte“ und vertröstet auf einen späteren Zeitpunkt. Tatsächlich, es klappt nicht.
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