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Vereint gegen DVU-Antrag über Hitler

■ Siegfried Tittmanns erste Anträge in der Bürgerschaft: „Ewig büßen und zahlen wegen Hitler?“ Fraktionen wollen Thema runterhängen / Bloß nicht „aufbauschen“, sondern auseinandersetzen

Früher verließen die Parlamentarier bei Redebeiträgen der DVU reihenweise den Saal. Genauso erging es kürzlich auch dem frisch ins Parlament gewählten Sigfried Tittmann (DVU) bei der konstituierenden Parlamentssitzung. Am Mittwoch nun wird der DVU-Mann aus Bremerhaven in der Landtagssitzung seine ersten drei Anträge einbringen. Und die Fraktionen wollen kritisch zuhören.

„Wie im Kindergarten“ seien die Sitzungen manchmal, beschwert sich Siegfried Tittmann über die Reaktion der anderen Fraktionen. „Die Leute schreien rum“ oder gingen raus. So sei das auf der Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven. Aber in Bremen „haben die mich ja noch gar nicht richtig kennengelernt. Ich habe ja noch gar nicht losgelegt“.

Loslegen will Tittmann jetzt mit drei Anträgen. Einer davon: „Ewig büßen und zahlen wegen Hitler?“. Damit will Tittmann „zum Nachdenken anregen“. Immer wieder würde es Forderungen ehemaliger Zwangsarbeiter nach Wiedergutmachung geben, beschwert er sich, während Deutsche von den Alliierten nie entschädigt worden seien. Beim nächsten Antrag geht es Tittmann um den „Kahlschlag bei der Bundeswehr“. Denn die innere Sicherheit in Deutschland müsse Bestand haben.

Für Karin Röpke, Geschäftsführerin der SDP-Fraktion, sind das die typischen DVU-Anträge, die in der Zentrale in München geschrieben wurden, nichts mit Bremen zu tun haben, und damit „bundesweit Politik“ machen sollen. Davon will Tittmann nichts wissen, „die kommen alle von mir“, sagt er.

In den Fraktionen der Bürgerschaft ist man sich aber trotzdem einig, dass man sich Tittmanns Anträge anhören wird. Es werde aber sicherlich welche geben, die bei dem „unerträglichen Antrag“ zu Hitler hinausgehen würden, vermutet Karin Röpke von der SPD. Man habe sich mit der CDU darüber verständigt, dass die Koalition in dieser Legislaturperiode die DVU-Anträge mit nur einem Redebeitrag kontern wird. „Um dem zu begegnen, muss man sich damit auseinandersetzen“, erklärt auch Karoline Linnert von den Grünen. Rausgehen bringe nichts.

Gestern wurde das Vorgehen gegen die DVU auf verschiedenen Fraktionssitzungen thematisiert. Es herrsche „Konsens darüber, das Thema runterzuhängen“, sagt Röpke. Auch Helmut Pflugradt (CDU) will die Anträge der DVU nicht aufbauschen oder die „kurzen Beiträge“ Tittmanns mit langen Reden überbewerten. Großes Palaver wollen auch die Grünen nicht: Ein gemeinsamer Redner sei ok, wenn sich alle Parteien einig seien.

Strittig ist dagegen, wie man mit dem dritten DVU-Antrag umgeht: „Keinen Bremerhaven-Beauftragten“. Tittmann will damit den „Filz“ anklagen, den SPD-Fraktionschef Jörg Schulz „auf eine völlig unnötige Stelle zu setzen“.

Beim Bremerhaven-Beauftragten aber gibt es Meinungsunterschiede zwischen Grünen und Koalition. Bei der letzten interfraktionellen Besprechung zwischen CDU, SPD und Grünen am Donnerstag konnte man sich deshalb nicht über ein „einheitliches Vorgehen“ verständigen. Grund: Die Grünen fühlten sich mit ihrer Kritik am Beauftragten durch nur einen gemeinsamen Redebeitrag geschluckt. Die Grünen wollen statt dessen Tittmanns Antrag ablehnen und einen eigenen Antrag stellen. „Wo es Unterschiede zur SPD gibt, da muss man differenzieren können“, sagt Karoline Linnert. Auch wenn die DVU der Anlass ist. pipe

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