Momper, der große Unsichtbare

■  Die SPD startet mit einer neuen Kampagne in die Schlussphase des Wahlkampfs. Doch niemand in der Partei kann sagen, ob das Porträt des Spitzenkandidaten noch plakatiert wird

Die „schönste Festplatte Berlins“, wie die Halbglatze des SPD-Spitzenkandidaten Walter Momper auf einem Plakat der Sozialdemokraten liebevoll genannt wurde, droht abzustürzen. In der Schlussphase des Wahlkampfs will die Partei ab heute mit neuen Plakaten die Wähler mobilisieren, das Porträt ihres Spitzenkandidaten aber muss vorerst im Schrank bleiben.

„Auf den neuen Plakaten taucht Walter Momper nicht auf“, hieß es gestern aus SPD-Kreisen. Das Motto der Rettungskampagne für die Sozialdemokraten, die derzeit weit abgeschlagen bei 19 Prozent liegen, lautet: „Wir kämpfen. Für Berlin.“ Walter Mompers Wahlbüro dementierte dagegen, dass die SPD zukünftig darauf verzichten wolle, mit ihrem Spitzenkandidaten zu werben. „Über die Abschlusskampagne ist noch nicht entschieden“, erklärte Mompers Sprecher Michael Böhm. Die Behauptung sei „frei erfunden“. Parteichef Peter Strieder sagte ebenfalls, es sei lediglich „nicht sicher, ob wir Momper plakatieren“. Die Kampagne, mit der die SPD in den kommenden drei Wochen das Ruder herumreißen wolle, sei von Anfang an auf „größtmögliche Flexibilität“ angelegt. Es sei aber „durchaus möglich, dass es noch Plakate mit Momper gibt“.

Der Spitzenkandidat selbst bezweifelte gestern erstmals, dass sein erklärtes Ziel einer rot-grünen Koalition noch eine realistische Option darstellt. Ein Regierungsbündnis mit den Grünen sei zwar seine Koalitionspräferenz, sagte Momper. Gleichzeitig räumte er ein, dies sei „angesichts der aktuellen Umfragezahlen nicht sehr wahrscheinlich“. Nach der letzten Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Forsa liegt die SPD nur ein bis zwei Prozentpunkte vor der PDS, die 17 Prozent der Stimmen auf sich vereint. Die CDU kommt auf 40 Prozent.

Trotz des desaströsen Abschneidens der SPD bei den Landtagswahlen in Sachsen, wo die Partei mit 10,7 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl seit 1949 erzielte, hält Momper jedoch an dem Ziel fest, die SPD müsse in der Hauptstadt „die stärkste Partei“ werden. Auch vom Bekenntnis zum Sparprogramm der Bundesregierung werde die SPD nicht abweichen. Man wolle „noch stärker erklären, dass das Zukunftsprogramm auch soziale Komponenten hat“. SPD-Fraktionschef Klaus Böger erklärte, eine „Politik, die den Menschen die Wahrheit sagt“, werde es auch zukünftig nur mit einer starken Berliner SPD geben.

In den nächsten Tagen will die Partei nach Angaben von Fraktionssprecher Peter Stadtmüller vor allem die unentschlossenen Wähler mobilisieren, die mit der SPD sympathisieren. „Wir sind hier nicht Sachsen“, sagte Stadtmüller. In Berlin habe die SPD als Regierungspartei einiges gegen die CDU durchgesetzt. Jetzt will man die Erfolge der Großen Koalition in den Vordergrund stellen und gleichzeitig klarmachen, dass die Alternative zu einem guten SPD-Ergebnis eine übermächtige Mehrheit der CDU wäre. Allerdings ist man auch in der Hauptstadt wegen des schlechten Abschneidens der sächsischen Genossen deprimiert.

Eine Fortsetzung der Großen Koalition ist innerhalb der Partei allerdings umstritten. Mittlerweile, so ist hinter vorgehaltener Hand zu hören, spricht sich jeder zweite Sozialdemokrat an der Basis gegen eine weitere Regierungszusammenarbeit mit den Christdemokraten aus. Selbst im Landesvorstand stehen die Mehrheitsverhältnisse für eine Große Koalition den Angaben zufolge auf der Kippe. Dies gelte insbesondere, wenn die Partei hinter das Ergebnis von 23,6 Prozent aus dem Jahr 1995 zurückfallen sollte. Politiker wie der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Christian Gaebler werten einen solchen Fall als Wählervotum gegen eine Fortsetzung der Großen Koalition. Fraktionssprecher Stadtmüller sagte dazu lediglich: „Je schlechter das Ergebnis wird, umso schwieriger wird es.“

Andreas Spannbauer