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Basken warten auf Fortschritte

■ Der Friedensprozess kommt ein Jahr nach dem ETA-Waffenstillstand kaum von der Stelle. Versammlung in Bilbao

Madrid (taz) – Am 18. 9. jährte sich die Waffenstillstandserklärung der baskischen Untergrundorganisation ETA zum ersten Mal, ein Anlass, um Positionen festzuklopfen: Der spanische Innenminister Jaime Mayor Oreja erklärte der Zeitung Le Monde, seine Regierung sei bereit, mit der ETA in den Dialog zu treten, auch bevor diese die Waffen abgegeben habe. Arnaldo Otegui seinerseits, Führungsmitglied der ETA-nahen Partei Herri Batasuna (HB), erklärte, die ETA würde ihre Waffen niemals ausgerechnet dem spanischen Staat übergeben, da das als Niederlage interpretiert werden würde.

In der baskischen Stadt Bilbao trafen sich am Samstag 1.800 Gemeinderäte und Bürgermeister aus dem spanischen und dem französischen Baskenland sowie aus Navarra und gründeten die „Versammlung der Gewählten“, was in Restspanien den Verdacht erhärtete, hier sollte ein neues, nationalistisches, demokratisch nicht legitimiertes Machtzentrum entstehen. Während die ETA diese Versammlung in einem Kommuniqué kürzlich als „die erste nationale Institution der Neuzeit“ gefeiert hatte, versuchte der Chef der konservativen Nationalistischen Partei PNV, Xabier Arzallus, am Wochenende, die aufgebrachten spanischen Gemüter zu beruhigen: Es handele sich hier keineswegs um einen Ausgangspunkt für ein neues baskisches Parlament.

An der Verhandlungsfront herrscht Blockade. Im vergangenen Jahr hatten sich die Guerillaorganisation ETA und die spanische Regierung nur einmal getroffen, um über eine politische Lösung des Baskenproblems zu diskutieren, dann waren die Kontakte wieder abgebrochen. Ein Dialog aller politischen Strömungen lässt auf sich warten, ebenso ein deutlicher Wechsel in der Politik gegenüber den ETA-Gefangenen. Dabei hatten viele Basken geglaubt, bis spätestens Weihnachten 1998 würden die knapp 500 ETA-Gefangenen, die bislang auf der gesamten iberischen Halbinsel verteilt einsitzen, in Haftanstalten im Baskenland oder in dessen Nähe verlegt werden. Doch erst Anfang September beschloss die Regierung, 105 Gefangene in die Nähe des Baskenlands zu verlegen.

Der Friedensprozess ist ganz offensichtlich an seine Grenzen gestoßen. Die ETA beschuldigt die im Baskenland regierende gemäßigte Baskische Nationalistische Partei (PNV) der mangelnden Initiative. „Einige Mitglieder der PNV (...) versuchen den Prozess auf einen Weg zu bringen, auf dem er verfault“, heißt es in einem Kommuniqué der Separatistenorganisation von Anfang September. Statt die „Souveränität des Baskenlandes“ anzustreben, würden die gemäßigten Nationalisten die „verharrende Haltung Frankreichs und Spaniens“ unterstützen.

Dabei war es gerade die PNV, die vor einem Jahr entscheidend mitgeholfen hatte, den Grundstein für den ETA-Waffenstillstand zu legen. Es gelang der PNV, das ETA-nahe Wahlbündnis Euskal Herritarok (EH) mit über 20 Parteien, Gewerkschaften und Organisationen aus dem gesamten nationalistischen Spektrum an einen Tisch zu bringen. In der „Erklärung von Lizarra“ verpflichteten sie sich, gemeinsam einen „politischen Weg“ aus der baskischen Krise zu suchen. Die „Erklärung von Lizarra“ war somit eine Abkehr vom „Pakt von Ajuria Enea“ aus dem Jahr 1988, in dem sich die Parteien im Baskenland geeinigt hatten, mit der ETA-nahen Herri Batasuna nicht zusammenzuarbeiten. Kurz nach der Verabschiedung der „Erklärung von Lizarra“ verkündete die ETA ihren Gewaltverzicht, um „den baskischen Bürgern die Möglichkeit zu geben, selbst die entsprechenden Schritte zu ergreifen, um die volle Unabhängigkeit zu erlangen“.

Die Annäherung von gemäßigten und radikalen Nationalisten schlug sich in der Unterstützung der PNV-Minderheitsregierung durch die ETA-nahe EH nieder sowie in einer Gemeindeversammlung, an der Bürgermeister und Gemeinderäte selbst aus dem französischen Teil des Baskenlandes teilnahmen und die den Ausgangspunkt zur nun gegründeten „Versammlung der Gewählten“ bilddete.

Dass der Dialog zwischen spanischer Regierung und den nationalistischen Basken nicht vorankommt, liegt an den schlechten Ergebnissen der PNV bei den Kommunalwahlen vom Juni. Seither hat in der Partei Kritik an der Annäherung an EH eingesetzt.

Der konservative spanische Innenminister Jaime Mayor Oreja zeigt sich erfreut über die Auseinandersetzungen im nationalistischen Lager. Er hat die PNV aufgefordert, das Bündnis von Lizarra zu verlassen und wieder gemeinsam mit den restlichen demokratischen Parteien Front gegen die ETA zu machen. Der Chef der baskischen Autonomieregierung, José Ibarretxe (PNV), möchte davon jedoch nichts wissen. „Der Dialog ist der einzige Weg aus der Krise“, mahnt er sowohl die Regierung in Madrid als auch seine eigene Parteifreunde. Und an die ETA gerichtet: „Der Friedensprozess kann nicht rückgängig gemacht werden. Einen solchen Schritt würde die baskische Gesellschaft nicht verzeihen.“

Reiner Wandler

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