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Feiern und dann vorwärts bis zur nächsten Brücke

■  Mit seinem grandiosen Wahlsieg hat Sachsens alter und neuer Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) beste Chancen, eine führende Rolle im neuen Machtgefüge der Republik zu spielen. Ihm geht es ums Gestalten. Den Sachsen soll's recht sein, denn wann immer ihr Landesvater auf der bundespolitischen Bühne mitmischte, war es gut für Sachsen. Nur die Frage, wer ihn beerben soll, bereitet ihnen Sorgen

„Jetzt darf gefeiert werden!“, rief Sachsens alter, neuer Ministerpräsident am Wahlabend der jubelnden Anhängerschaft zu. „Aber nur bis morgen früh!“ Dann gehe es wieder an die Arbeit, mahnte Biedenkopf.

Das letzte Kapitel im politischen Leben des Kurt Biedenkopf ist angebrochen. In fünf Jahren – Biedenkopf ist dann 74 – steht er nicht mehr zur Verfügung, das hat er überdeutlich klar gemacht. Fünf Jahre Zeit also, die Geschicke des Freistaates zu lenken. Wohin geht die Reise? Befragt nach seinem wichtigsten Wahlziel, nannte Kurt Biedenkopf nicht etwa die sonst üblichen Allgemeinplätze wie Arbeitslosigkeit bekämpfen, Staatsverschuldung drücken, Konjunktur beleben. „Meine wichtigste politische Aufgabe in der nächsten Amtszeit wird der Solidarpakt II sein.“ Im Jahr 2004 laufen die Investitionshilfen „Aufbau Ost“ und die Sonder-Bundes-Ergänzungszuweisungen aus. Bis dahin muss ein neues Konstrukt geschaffen werden, in dem die West-Hilfen für den Ost-Aufbau geregelt werden. Den neuen Ländern gelingt es bislang lediglich, 35 Prozent ihrer Ausgaben durch eigene Steuereinnahmen abzudecken. Biedenkopf ist sicher, dass sich das auch weit über das Jahr 2004 hinaus nicht sonderlich zum Guten ändern wird – dass weiterhin Bundestranfers von West nach Ost nötig sind. Sachsen Finanzspritze etwa beträgt derzeit rund 5,4 Milliarden Mark pro Jahr. Ohne dieses Geld wäre der Haushalt des Freistaates zu fast einem Drittel ungedeckt.

Noch vor der Bundestagswahl 2002 soll nach Biedenkopfs Vorstellungen der neue Pakt stehen. In Absprache mit den anderen Ostländern wurde bereits im Frühjahr Thomas de Maizière, der ehemalige Chef der Schweriner Staatskanzlei, beauftragt, die Grundlagen zu erarbeiten. Im Dezember wird er einen Zustandsbericht und Analysen von führenden Wirtschaftsinstituten auf dem Tisch haben, mit denen der Finanzbedarf abschätzbar werden soll. Klar ist, dass vom Aufbau einiges als abgeschlossen gilt – etwa der Strukturausbau von Telekommunikation und Gesundheitswesen. Der angemeldete Finanzbedarf wird also deutlich geringer ausfallen.

„Als Demokrat bin ich traurig, daß es die SPD so hart getroffen hat“, so Biedenkopf zum SPD-Ergebnis. Nicht dass Sachsens Ministerpräsident mit der Regierung Schröder wirklich zufrieden ist. Ein klares Reformkonzept ist für ihn immer noch nicht erkennbar, beim Sparpaket sieht er die ostdeutschen Interessen verletzt, Führungskraft vermisst er. Aber, das hat Biedenkopf schon vor der Wahl betont, die Richtung der Regierung Schröder stimmt. Ohne die Konsolidierung der Staatsfinanzen wird der Bund den Ländern kaum Zuschüsse im erforderlichen Umfang überreichen können. Da Deutschland ab diesem Herbst von einer großen Koalition aus Bundesregierung und Bundesrat regiert wird, hat Biedenkopf mit seiner grandiosen Wahlsieg-Serie beste Chancen, eine führende Rolle im neuen Machtgefüge der Republik zu spielen. Er werde keiner Blockadepolitik à la Lafontaine zustimmen, erklärte Sachsens Regierungschef. Es geht ihm ums Gestalten.

Die Sachsen scheinen Biedenkopfs bundespolitische Ambitionen zu verstehen. Warum sollten sie auch zweifeln. Immer, wenn sich ihr Regierungschef auf der bundespolitischen Ebene einmischte, war das gut für Sachsen. Sorgenvoll blicken die Sachsen dagegen auf die Nachfolge. Biedenkopf sagt bislang dazu nur: „Über diese Brücke gehe ich erst, wenn ich dort angekommen bin.“

Das wird nicht reichen. Ziemlich sicher wird es unter den potentiellen Kronprinzen ein zähes Tauziehen geben – zumal alle hinter Biedenkopfs Rücken bislang ziemlich blass wirken. Für 52 Prozent der Sachsen ist Umfragen zufolge unter den möglichen Nachfolgern kein akzeptabler dabei. Am besten schneidet noch Wirtschaftsminister Kajo Schommer ab, den sich immerhin 14 Prozent als Nachfolger vorstellen können. Ihm folgt Talkmaster und Ex-Innenminister Heinz Eggert. Der spricht von „Dampf“, den Biedenkopf der Bundes-CDU machen wird, und davon, dass „die Sachsen was aus Biedenkopf gemacht haben“. „Fähige Köpfe haben wir in der Partei genug“, wischt Biedenkopf jegliche Spekulation beiseite. Er muß die Köpfe aber auch entsprechend positionieren. Bemerkenswert war deshalb seine Siegesrede vor der Fraktion. „Ich bedanke mich bei allen, besonders bei der Fraktion und bei Fritz Hähle.“ Der ist CDU-Landesvorsitzender und Biedenkopf-Intimus.

Nick Reimer, Dresden

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