: Teurer Schüler-Protest
■ Verurteilt wegen Landfriedensbruch: Bei der Bestrafung von vier Schülern ging der Richter über das beantragte Strafmaß hinaus
Landfriedensbruch begeht man schneller als man denkt. Gestern verurteilte das Amtsgericht Bremen vier ehemalige SchülerInnen des Instituts für Erwachsenenbildung (IfE) wegen Landfriedensbruchs, weil sie am 16. Juli 1998 bei einer Demonstration vor der Bremer Bildungsbehörde in das Gebäude eingedrungen sein sollen (siehe taz vom 29. September). Einer der Verurteilten soll sich zudem gegen einen Polizeibeamten gewehrt haben, indem er sich an einer Klinke festhielt und dabei einen Beamten bedrängte. Die Verurteilten – drei Männer und eine Frau – müssen nun neben Geldstrafen auch die Kosten des Verfahrens tragen.
Unstrittig ist: Am 16. Juli 1998 hatten sich rund 150 SchülerInnen vor der Bildungsbehörde am Breitenweg versammelt, um gegen die Schließung der Schulzentren Hu-ckelriede und Holter Feld zu protestieren. Im Windfang des Haupteingangs, in dem Protestierer standen, ging eine Scheibe zu Bruch. Als ein Polizist durch die Tür wollte, wurde er zur Seite gedrängt, eine Handvoll Menschen drang in das Gebäude ein. Vermutete Absicht: Eine Sitzung der nicht-öffentlichen Bildungs-Deputation sollte gestürmt werden. Doch die Polizei sammelte alle Protestler wieder ein und bugsierte sie zurück vor die Tür. Später wurden die mutmaßlichen Eindringlinge auf der Straße aufgegriffen.
Deren Anwälte argumentierten: Ausreichende Beweise dafür, dass es sich um die gleichen Personen handele, gäbe es nicht. Die Zeugenbefragung mehrer Polizisten habe vielmehr ergeben, dass sich niemand zweifelsfrei an die Gesichter aller Eindringlinge erinnert. Schlussfolgerung der Anwälte: Im Zweifel für die Angeklagten.
Auch der Staatsanwalt hatte Entgegenkommen signalisiert. In seinem Schlusswort sagte er, dass eine Verurteilung wegen Landfriedensbruch nach den Zeugenbefragungen wohl „ein Stück zu hoch gegriffen wäre“ und deswegen nicht von ihm beantragt werde. Er plädierte auf eine Verurteilung wegen „schweren Hausfriedensbruchs“.
Doch für den Richter stand fest: Es waren die vier Angeklagten, die sich gewaltsam Zutritt zur Bil-dungsbehörde verschafft hatten. Die Geldstrafe – dreimal 50 Tagessätze à 20 Mark, einmal 60 Tagessätze à 20 Mark – fiel rund doppelt so hoch aus wie vom Staatsanwalt gefordert (30 bzw. 45 Tagessätze á 15 Mark). Und: Nicht wegen Hausfriedensbruch wurde verurteilt, sondern wegen Landfriedensbruch.
„Gelegentlich wäre es ganz angenehm, wenn Personen zu ihren Handlungen stehen würden“, sagte der Richter, der von der Schuld der Angeklagten überzeugt war. Der Prozess habe viel Geld gekostet, weil die Verteidiger das Angebot zur Einstellung des Verfahrens ausgeschlagen hätten. Man solle sich bemühen, so der Richter weiter, die Steuergelder „ von denen die Angeklagten ja auch leben“ (BAFöG, Sozialhilfe), sachgerechter zu verwenden. Einer der vier Anwälte legte noch im Gerichtssaal Rechtsmittel gegen die Entscheidung ein.
cd
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