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Mehr Idealist denn Karrierist“

■ taz-Serie über Einzelbewerber bei der Abgeordnetenhauswahl (Folge 2): Der 19-jährige Schüler Martin Wilke ist der jüngste Einzelkandidat. Er will ein Wahlrecht ohne jede Altersbegrenzung

Martin Wilke hat weder Vorbilder noch einen Lieblingsfilm und favorisiert auch keine bestimmte Musikrichtung. Dafür hat der 19-Jährige ein klares Ziel: Er will künftig als Parteiloser ins Abgeordnetenhaus einziehen.

Immerhin 53 Leute aus seinem Wahlkreis haben ihm mit ihrer Unterstützungsunterschrift zur Zulassung verholfen – 8 mehr als nötig. Außerdem ist er sich der Unterstützung durch die der Kinderrechtsgruppe K. R. Ä. T. Z. Ä. gewiss, in der er seit einigen Jahren aktiv ist. „Wirtschafts-, Gesundheits- und Kulturpolitik habe ich nicht im Angebot“, gibt der schüchterne Kandidat zu. Ihn interessieren vor allem die Themen Bildung und demokratische Grundrechte.

Schulen sollten nach der Auffassung Wilkes, der im Juni Abitur gemacht hat und bald mit dem Zivildienst beginnen wird, demokratisch und ohne Zwang strukturiert sein – nach dem Vorbild der Sudbury Schools in den USA. Dort wird in altersgemischten Gruppen selbst verwaltet gelernt, ohne Noten, Stunden- oder Lehrplan: Die Lehrer stehen für Hilfestellungen zur Verfügung, üben aber keinerlei Autorität aus. Dieses Modell kennt der junge Wilke zwar nur aus Büchern und Erzählungen, trotzdem ist er überschwänglich und begeistert: „Das Beispiel zeigt, dass es funktioniert.“

Sein wichtigstes Anliegen ist die Mitbestimmung aller – mittels Wahlrecht. Für Ausländer müsste das nach seiner Ansicht genauso gelten wie für Kinder. Und zwar ohne jegliche Altersbegrenzung: „Radikaldemokratisch“ nennt Wilke das, der sich sonst aber überhaupt nicht politisch einordnen lassen möchte. Als Abgeordneter kandidiert er, weil er sich letztes Jahr im Bundestagswahlkampf über die Vernachlässigung der Kinderrechte ärgerte.

Seine Zielgruppe sind die Jüngeren: „Wenn Kinder ihre Eltern dazu bringen können, ein bestimmtes Spielzeug zu kaufen, warum sollten sie dann nicht auch die Wahlentscheidung beeinflussen können.“

Aber der Nachwuchspolitiker ist eben mehr Idealist denn Karrierist. Das was ihn persönlich selbst bewegt, will er zum öffentlichen Diskussionsthema machen. Dadurch wirkt er zwar unprofessionell, aber zugleich sympathisch.

Ganz ohne Taktik kommt aber auch er nicht aus: Ganz bewusst kandidert Wilke nämlich nicht in jenem Wahlkreis im Prenzlauer Berg, in dem er wohnt, sondern im Süden des Bezirks: „Bei der letzten Wahl haben sich die Kandidaten der anderen Parteien hier gegenseitig die Stimmen abgejagt“, erklärt er. Entsprechend könne ein Viertel oder gar nur ein Fünftel der abgegebenen Stimmen bereits ausreichen, um fortan Mitglied des Abgeordnetenhauses zu sein. Dirk Hempel ‚/B‘wird fortgesetzt

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