: Werder abgeschlafft
■ Geschichte ist jetzt Werders Hoffnung – Großverdiener sind Sündenböcke in Lyon
Die Erkenntnis nach der Pleite bei Olympique Lyon war einhellig: Nur ein „Wunder“ kann den SV Werder Bremen nach dem 0:3 im Drittrunden-Hinspiel vor dem Ausscheiden im Uefa-Cup-Wettbewerb retten. „Die Geschichte ist jetzt unsere Hoffnung“, erinnerte Sportdirektor Klaus Allofs an die Großtaten der Mannschaft im Europapokal in den 80er Jahren gegen Dynamo Berlin, Spartak Moskau und RSC Anderlecht, als Spiele trotz hoher Rückstände noch umgebogen worden waren.
Zweifel sind allerdings angebracht, ob sich dies gegen den Tabellenführer aus Frankreich wiederholen lässt. Zu deutlich zeigte das Team den Bremern die Grenzen auf. „Wir waren nicht in der Lage, einen Treffer zu erzielen. Das ist für uns die denkbar ungünstigste Ausgangsposition“, klagte ein arg enttäuschter Trainer Thomas Schaaf.
Der Österreicher Andreas Herzog schimpfte nach der deprimierenden Niederlage wie ein Rohrspatz: „So wie wir gespielt haben, kann man vielleicht im Intertoto-Cup gegen Kaunas antreten, aber nicht gegen diesen Klassegegner. Ich bin mehr als enttäuscht.“ Wahrscheinlich werden die Bremer am Ende des lukrativen Uefa-Cup-Wettbewerbs mit leeren Händen dastehen. Der Wunsch von Schaaf und der Vereinsführung, im internationalen Geschäft zu überwintern, ist kaum zu realisieren. „Vom Ergebnis her ist diese Begegnung voll in die Hose gegangen“, gab Klaus Allofs zu, „wenn auf hohem Niveau gespielt wird, dann fehlt es bei uns doch an Klasse.“
Als „Sündenböcke“ für die Abfuhr mussten die Totalausfälle Julio Cesar, Marco Bode, Claudio Pizarro und Ailton den Kopf hinhalten. Die „Großverdiener“ des SV Werder trugen ein gerütteltes Maß Mitschuld daran, dass der Pokalsieger dumme Gegentreffer kassierte und ohne Torerfolg blieb. Doch der besonders in die Schusslinie der Kritik geratene Cesar wurde vom Trainer und den Mitspielern in Schutz genommen. „Nein, Julio hat an den Toren nichts machen können“, meinte Schaaf. „Es gibt keine Vorwürfe an ihn“, dementierte Frank Baumann Schuldzuweisungen an den Brasilianer, der sich bei den Gegentreffern seines Landsmannes Sonny Anderson (13./45.) und von Tony Vairelles (77.) anfängerhaft verhalten hatte.
Für die Bremer brechen bei einem Europapokal-K.o. harte Zeiten an. Der Bundesligaverein wird die Saison nach Angaben von Clubchef Jürgen Born mit einem Minus abschließen. „So viel Geld, wie in diesem Wettbewerb, ist nirgendwo zu verdienen. Auch bei einem ausverkauften Stadion können diese Beträge nicht eingenommen werden. Rund zwei Millionen Mark werden den Bremern beim Nichterreichen der vierten Runde durch die Lappen gehen.
Trotz der misslungenen Lyon-Vorstellung rechnet der SV Werder am Sonntag im Nordderby gegen den Hamburger SV mit einem restlos gefüllten Weserstadion. „Da kann sich die Mannschaft rehabilitieren“, meinte Born. taz/dpa
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