piwik no script img

Irreführender Irrsinn

Wieder ein BSE-Verdacht in Schleswig-Holstein. Aufkleber auf Produkten schützt auch nicht vor Rind  ■ Von Sandra Wilsdorf

Schon wieder wird ein Rind im Norden verdächtigt, dem gattungseigenen Wahn anheim gefallen zu sein: In Ostholstein geboren, lebte die Kuh zuletzt im Kreis Storman, wo sie wegen einer Klauenerkrankung eingeschläfert wurde. Zwei Proben ergaben BSE-Verdacht, weshalb die Proben zur Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten nach Tübingen geschickt wurden. Ein Ergebnis wird Anfang kommender Woche erwartet.

Veterinäre und Futtermittelkontrolleure untersuchen nun in den betroffenen zwei Betrieben Tier- und Futtermittelbestände. Der schleswig-holsteinische Chefveterinär Eckart Best bekräftigte seine Forderung nach einer bundeseinheitlichen Stelle, in der die bisherigen Erkenntnisse über die Fälle und über Futtermittelkontrollen zusammenlaufen sollten. Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat eine Bürger-Hotline eingerichtet: heute und morgen jeweils von 10 bis 12 Uhr, Tel.: 0431/988–5102.

Der Landwirt Peter Lorenzen aus Hörsten, in dessen Stall im November der bundesweit erste BSE-Fall entdeckt worden war, will unterdessen wieder eine neue Herde aufbauen. Alle seine 166 Rinder waren nach dem BSE-Fall getötet worden. Die Ursache für die Erkrankung steht noch nicht fest. Allerdings äußerte Best den „starken Verdacht“, dass die Infektion im ersten Lebensjahr über das Tierfutter, einem so genannten Milchaustauscher, erfolgt sein könnte.

Das Hamburger Hygiene-Institut kümmert sich derweil um Etikettenschwindel: Über 220 Wurstproben wurden darauf untersucht, ob sie Rindfleisch enthalten, obwohl ihre Etiketten das Gegenteil behaupteten. In der kommenden Woche werden die Ergebnisse bekannt gegeben, nicht jedoch die Hersteller der falsch ausgezeichneten Waren. Manchmal behauptet ein Aufkleber „Garantiert ohne Rindfleisch“, manchmal ist „Rindfleisch“ in der Zutatenliste durchgestrichen, und manchmal findet es sich trotz Aufkleber in der Wurst. „Wir wissen nicht, ob Hersteller, Händler oder Verkäufer schuld sind. Das müssen die Bezirke he-rausfinden“, erklärt Instituts-Sprecherin Regina Link.

Armin Valet von der Hamburger Verbraucherzentrale will die Namen trotzdem, „für den Verbraucher, aber auch, um nicht eine ganze Branche wegen weniger schwarzer Schafe in Verruf zu bringen“. Täglich riefen verunsicherte Verbraucher an, und auf die Fragen, ob diese oder jene Wurst in Ordnung sei, „können wir keine befriedigende Antwort geben“.

Gerade habe er schwäbische Maultaschen bekommen, deren Packung mit einem „garantiert ohne Rindfleisch“-Aufkleber lockt. Die Zutatenliste verrät jedoch: „Fleischfüllung von Schwein und Rind, mindestens 25 Prozent.“ Und vielleicht ist das nicht einmal strafbar. Denn Innereien, Bluteiweiß oder Rinderdarm sind schließlich kein Fleisch. Nur irreführend.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen