: Russland hat wieder volles Stimmrecht
Abgeordnete des Europarates beschließen trotz anhaltender Menschenrechtsverletzungen in der Kaukasusrepublik Tschetschenien die Sanktionen nach neun Monaten aufzuheben. Moskau sieht Gerechtigkeit wiederhergestellt
STRASSBURG/MOSKAU dpa/afp ■ Russland hat die Aufhebung der neunmonatigen Europarats-Sanktionen begrüßt. „Damit wird für uns die Gerechtigkeit wieder hergestellt“, sagte Außenminister Igor Iwanow gestern. Der für Tschetschenien zuständige Kreml-Sprecher Sergej Jastrschembski nannte den Beschluss „eine gute Nachricht für Russland und Europa“.
Am Donnerstagabend hatten die Abgeordneten aus den 41 Europarats-Staaten mit klarer Mehrheit dafür gestimmt, die 18 russischen Parlamentarier in vollem Umfang wieder zu den Sitzungen zuzulassen. Ihnen war im April 2000 das Stimmrecht wegen anhaltender Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien entzogen worden.
Bei der Debatte hatte die Mehrheit der Redner erklärt, das Moskauer Parlament, die Duma, sowie die russische Delegation dürften für ihre Bemühungen, die Menschenrechtslage in Tschetschenien zu ändern, nicht bestraft werden. Der liberale ungarische Abgeordnete Mátyás Eörsi sagte, es sei absurd, wenn das Ministerkommitee des Europarats bei offiziellen Treffen mit der russischen Staatsführung das Thema Tschetschenien nicht anspreche, die Versammlung aber Sanktionen gegen die russischen Abgeordneten verhänge. Demgegenüber kritisierte die christdemokratische Abgeordnete Rita Wohlwend aus Liechtenstein, dass die Versammlung „das politische Pfand des Stimmenentzugs aus der Hand gibt“.
Zuvor hatte die Parlamentarische Versammlung in einer Resolution erneut massive Menschenrechtsverletzungen von Tschetschenen und Russen angeprangert. Es gebe zwar „ermutigende Fortschritte“ beim Aufbau der Zivilverwaltung und dem Abzug der russischen Truppen. Menschenrechtsverletzungen seitens der russischen Soldaten würden von der russischen Justiz aber nicht verfolgt. Solange dieses Problem nicht gelöst werde, sei eine politische Lösung in Tschetschenien unmöglich. Immer noch seien Gewalt, Misshandlungen und willkürliche Festnahmen an den Kontrollposten der Militärs an der Tagesordnung.
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