Hoffnungsschimmer in Birma

Vor dem Besuch einer EU-Delegation lässt die Junta 100 Dissidenten frei. Doch die Zeichen bleiben widersprüchlich

BANGKOK taz ■ Ein Pflänzchen der Hoffnung wächst in Birma: Kurz vor dem Besuch einer europäischen Delegation hat die Militärjunta in Rangun über hundert politische Dissidenten freigelassen. 85 Mitglieder der Jugendorganisation der oppositionellen „Nationalen Liga für Demokratie“ (NLD) durften gestern wieder nach Hause gehen, berichtete das Rote Kreuz. Eine andere Gruppe von 19 NLD-Jugendlichen war am Donnerstag freigekommen.

Gleichzeitig hatten die Generäle auch Tin Oo, den neben Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi prominentesten Regierungskritiker, in die Hauptstadt zurückkehren lassen. Tin Oo und die Jugendlichen waren seit September in „Gästehäusern“ des Militärs verschwunden. Anlass der Verhaftungswelle: Aung San Suu Kyi, NLD-Vizevorsitzender Tin Oo und zahlreiche Anhänger hatten versucht, das Reiseverbot zu durchbrechen und einen Zug in die zweitgrößte Stadt Mandalay zu besteigen. „Gästehäuser“ sind in der orwellschen Sprache der Junta die Haftzentren in den Armeestützpunkten, in denen Dissidenten ohne Gerichtsurteile festgehalten werden.

Mit den Freilassungen will die Junta offenbar die Abordnung der Europäischen Union gnädig stimmen, die am Montag in Rangun eintreffen soll. Die vier Delegierten wollen über eine Verbesserung der Beziehungen zu Birma sprechen. Denn unter den Europäern wächst der Zweifel, ob der politische und wirtschaftliche Boykott noch sinnvoll ist.

Erst kürzlich hatten UNO-Mitarbeiter einen „historischen Durchbruch“ in den Beziehungen zwischen Junta und Opposition gemeldet: So ist es seit Oktober erstmals wieder zu direkten Kontakten zwischen Aung San Suu Kyi und der Nummer drei des Regimes, dem militärischen Geheimdienstchef General Khin Nyunt, gekommen. Die Signale sind aber widersprüchlich: So haben persönliche Beleidigungen und Hetzkampagnen gegen Aung San Suu Kyi aufgehört. Gleichzeitig steht die Politikerin unter Hausarrest. Kritiker werden zu hohen Strafen verurteilt, die Bevölkerung zu Zwangsarbeit verschleppt. Der Krieg gegen aufständische Minderheiten geht weiter. Skeptiker fürchten, dass die Junta die Gespräche mit Aung San Suu Kyi plötzlich abbricht und das Scheitern zum Vorwand nimmt, die verbliebenen Reste der Opposition mit neuer Härte zu verfolgen.

JUTTA LIETSCH