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Fleischesfrust

Sicher ist gar nichts: In der BSE-Debatte gibt es nur Wahrscheinlichkeiten  ■ Von Sandra Wilsdorf

Wahrscheinlich wollte Edeka Nord mit ihrem gestrigen Symposium zum Thema BSE in Pinneberg das Gegenteil erreichen. Aber nach drei Stunden Expertenwissen und -meinung blieb hauptsächlich Unsicherheit. Professor Siegfried Wenzel, Direktor der tierärztlichen Hochschule Hannover, beispielsweise kritisiert „oberflächlichen Aktionismus“ der Politik, die keinen Kontakt zur Wissenschaft suche. Und er belächelt den Verbraucher, der emotional nach hundertprozentiger Sicherheit verlange. Wenzel fordert, zwischen Risikomaterial wie Gehirn, Rückenmark und Verdauungstrakt und dem Rest zu unterscheiden. Muskelfleisch beispielsweise hätte kein höheres BSE-Risiko als Milch. Denn „die Prionen kommen ziemlich wahrscheinlich über den Verdauungs-trakt.“ Man müsse also nur das Risikomaterial entfernen.

Es sei denn, Bruno Oesch hat recht, Vorstandsvorsitzender der prionics AG in Zürich und Erfinder des Prionics-BSE-Tests. Oesch sagt: „Bei der Schlachtung kann auch Hirnmaterial in die Muskeln geraten.“ Theoretisch sei es sogar möglich, dass über das Bolzenschussgerät Prionen von Tier zu Tier übertragen werden. Auch die Tests seien nicht absolut zuverlässig, denn sie schlagen erst bei einer Mindestmenge von BSE-Erregern im Blut an. BSE sei im übrigen keine Frage des Alters: „Man scheint davon auszugehen, dass das Risiko der Rinder unter 30 Monaten dem Konsumenten zuzumuten ist.“

Nun haben die für Verbraucherschutz zuständigen Minister beschlossen, schon ab 24 Monaten zu testen, „aber das führt nur dazu, dass die Rinder in Nachbarländern geschlachtet werden und dann ungetestet nach Deutschland kommen“, befürchtet Rolf Heidenberger, Geschäftsführer Fleischwerk von Edeka Nord. In den vergangenen Tagen wurden in Schleswig-Holstein drei Rinder positiv auf BSE schnellgetestet. Eines von ihnen war erst 13 Monate alt.

Edeka testet alle Rinder, egal wie alt sie sind. Dass sie darauf per Aufkleber nicht mehr hinweisen dürfen, regt Heidenberger auf: „Es gipfelte in die Kriminalisierung unseres aktiven Verbraucherschutzes.“ Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg und Helga Rommel, Bundesgeschäftsführerin von Eltern für unbelastete Nahrung stimmen ihm zu.

Während die Verbraucherzentrale jedoch kompromisslos fordert, die Namen von Herstellern und Händlern falsch etikettierter Produkte zu nennen, sehen die Vertreter der Fleischwarenindustrie einige Wenns und Abers: „Wenn jemand da etwas Verbotenes macht, muss das bekannt werden, aber wir sind gegen das vorschnelle Veröffentlichen“, sagt Claus Dölling, Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Fleischwaren-Industrie und Mitinhaber der Döllinghareico-Fleischwerke aus Elmshorn.

Auch Wenzel sagt: „Wenn der Elisa-Test auf Rindfleisch positiv ist, ist das meiner Ansicht nach nicht gerichtsfest.“ Denn der Test erkenne nur Rindereiweiß, nicht, ob das aus Fleisch, Gewürzmischung oder Wurstdarm komme. Theoretisch kann es sogar von einem Messer stammen, mit dem im Labor vor der Schweinewurst ein Rindfleischprodukt durchgeschnitten wurde.

Aber es gibt auch Reue: „Hätten wir das bloß nicht gemacht“, sagt Dölling über die spitzfindigen Zusatzetiketten, mit denen manche Hersteller ihre Produkte ausgezeichnet haben. „Kein Rindfleisch“ teilten die legalerweise mit, weil die Wurst vielleicht nur Innereien oder Muskeln vom Rind enthielt.

Und weil am Ende nichts so sicher wie die Unsicherheit ist, baten die Veranstalter zu einem Fleisch-an-Fleisch-Buffet, höchstwahrscheinlich BSE-frei.

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