: Himmlische Schall-Schlucker
■ Frust in der Thermopen-Gemeinde, sterbende Tulpen und Klassenkampf: Bremen bekommt Schutzwände gegen Bahnlärm
Manchmal fallen Dinge vom Himmel, an die kein Mensch wirklich geglaubt hat, und seien es zwei Meter hohe Lärmschutzwände mit einer Haut aus schallschluckendem Aluminium. „Es kam wie ein Wunder über uns“, bestätigt Ulrich Römhild (SPD), Sprecher des Beirats Östliche Vorstadt. In seinem Beritt soll es ab Sommer diesen Jahres besagte Wände geben, kilometerlang, zum Wohle der Bahnlärmgeplagten links und rechts der Strecke Bremen-Hannover.
Ein Wunder also. Tatsächlich dürften die Planungen gar nicht existieren, da die Deutsche Bahn AG, Bereich Niedersachsen/Bremen, nach eigenem Bekunden „kein Geld“ hat und daher darauf verzichtet, bestehende Schienenwege mit schallschluckenden Wänden auszustatten. Doch nun hat die Bundesregierung nach Auskunft der Bahn einen Finanztopf mit leckeren 100 Millionen Mark gefüllt, um bundesweit „Lärmsanierungen“ zu finanzieren. Ein Teil der Mittel soll nach Bremen fließen. Genauer: In den 1,3 Kilometer langen Streckenabschnitt zwischen Concordia-Tunnel und der Friedrich-Karl-Straße.
Hier verkehren täglich rund 280 Züge, wie der Leiter des Ortsamts Mitte, Robert Bücking, weiß. Tag und Nacht rattern insbesondere die Güterzüge laut, die nicht für den Bahnhof abbremsen, dicht vorbei an den Häusern. Die gesetzlich zulässigen Schallpegel würden erheblich überschritten, sagt Bücking. Gärten und die zu den Gleisen orientierten Räume seien daher nur eingeschränkt brauchbar. Einige Anrainer sollen schon seit Jahren für Lärmschutzmaßnahmen gekämpft haben.
Doch auch jetzt, da die Entscheidung gefallen ist – das Planfeststellungsverfahren läuft – steckt der Teufel im Detail. In der Roonstraße nämlich, die parallel zum Bahndamm verläuft, ist es aus Sicht der bauausführenden DB AG nicht möglich, Lärmschutzwände zu installieren. Die Ursache: In diesem Bereich hat der Bahndamm keine Böschung, sondern wird von einer Stützwand gehalten.
Eine (teurere) Alternative wäre, die Schallschlucker in den angrenzenden Gärten zu errichten. Allein schon wegen der eventuell dazu notwendigen Baustraße dürften die Gartenbesitzer jedoch wenig Gefallen an dieser Variante finden. Auch die pragmatische Idee, lieber Geld für schallisolierende Fenster und Türen bereitzustellen, könnte zu Frustrationen führen – originellerweise bei der Thermopenglasgemeinde selbst, die gewissermaßen in zwei Fraktionen gespalten würde. Schließlich bezahlt der Staat zur „Lärmbeseitigung“ nur neue Fens-ter – keine bereits gekauften.
Doch es sind nicht nur die Leute aus der Roonstraße, die möglicherweise eins auf die Ohren kriegen. Das Lärmschutz-Wunder von Bremen ist nämlich – wie eingangs erwähnt – lokal begrenzt, obwohl andere Stadtteile durchaus auch Bedarf anmelden könnten. So zum Beispiel das weniger schicke Walle-Osterfeuerberg, wo die Gleise in manchen Straßenzügen fast bis zur Regenrinne reichen – auch wenn es „nur“ die Strecke nach Bremerhaven ist. „Man kann nicht alle gleichzeitig befriedigen“, sagt Bahnsprecher Hans-Jürgen Frohns dazu. Dafür gucken die Reisenden in Walle auch in Zukunft noch auf richtige Häuser – und nicht auf ein Wunder aus Aluminium. hase
Am 6. Februar, findet im Haus des Sports, Eduard-Grunow-Straße 30, eine Einwohnerversammlung zu den geplanten Lärmschutzmaßnahmen statt. Beginn 19 Uhr
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