: „Jetzt die politische Option“
Aldo Ajello, der EU-Sonderbeauftragte für das Afrika der Großen Seen, ist optimistisch über Friedensperspektiven im Kongo nach dem Tod Laurent Kabilas. Er hält eine UN-Friedenstruppe für notwendig, um den Waffenstillstand zu überwachen
Interview DOMINIC JOHNSON
taz: Sie befinden sich gerade auf einer Reise durch die am Kongo-Krieg beteiligten Länder. Am Wochenende waren Sie in Kongos Hauptstadt Kinshasa. Wie haben Sie die Lage dort erlebt?
Aldo Ajello: Die Stadt ist völlig ruhig, man hat kein Gefühl von Unsicherheit. Die Ermordung des Präsidenten hat die Leute traumatisiert, aber sie haben das Trauma überwunden. Die Sicherheit der Stadt wird von Angola gewährleistet, das Elitetruppen geschickt hat – seine Präsidialgarde, seine Polizeisondereinheiten. Angola hat es geschafft, nach dem Mord Kinshasa vor einer Eskalation zu bewahren.
Wissen Sie jetzt, was bei der Ermordung Laurent Kabilas wirklich geschah?
Was dahinter steckte, ist ein großes Geheimnis. Möglicherweise war es eine politische Verschwörung. Oder ein Teil der Armee war frustiert über Kabilas Kriegsführung. Er schickte Einheiten in den Kampf ohne Vorbereitung, ohne abgeschlossenes Training, ohne Strategie. Es gab große Konflikte zwischen Armee und Präsident, und die Armee könnte die Schnauze voll gehabt haben. Aber das ist Spekulation.
Wir müssen uns das neue Team angucken und sein Handeln bewerten. Der erste Akt war die Rede des neuen Präsidenten Joseph Kabila an die Nation letzten Freitag. Sie war ganz gut, geschrieben von einem Team, mit den richtigen Botschaften und dem nötigen Element an Zweideutigkeit. Das von Laurent Kabila verhängte Verbot des Devisenhandels und die Monopolisierung des Mineralienhandelns unter einer staatlichen Börse wurden abgeschafft. Das hat die Geschäftswelt gefreut. Zum Thema Frieden und Demokratie war die Rede zweideutig genug, damit sich die Leute jetzt fragen, ob der Sohn wirklich dasselbe machen will wie sein Vater. Joseph Kabila braucht Zeit. Er ist das Ergebnis eines Kompromisses zwischen verschiedenen Politikern und zwischen Politikern und der Armee. Jetzt braucht er eine Legitimation, und er weiß es.
Was sagen Kabilas Verbündete Angola und Simbabwe?
Sie haben eine klare Botschaft: Das Lusaka-Abkommen (bisher nicht umgesetztes Kongo-Friedensabkommen vom Juli 1999, d. Red.) muss umgesetzt werden. Angola sagt das deutlich, während Simbabwe sich eher um Kontinuität bemüht. Die Umsetzung des Abkommens besteht im inner-kongolesischen Dialog. Grundsätzlich wollen alle jetzt politisches Handeln, nicht militärisches. Die Rebellen hatten eine klare Vorliebe für die militärische Option, und Laurent Kabila wollte keine Machtteilung mit den Rebellen. Beide Seiten bevorzugten die militärische Option. Mit Laurent Kabilas Tod verändert sich die Lage. Die Verbündeten beider Seiten neigen jetzt der politischen Option zu.
Ist Joseph Kabila also an die Macht gehievt worden, um Frieden zu stiften?
Wir müssen Taten beurteilen, nicht Worte. Simbabwe würde gerne seine Truppen aus dem Kongo vor der eigenen Präsidentschaftswahl 2002 zurückziehen, aber in einer gesichtswahrenden Weise. Für Uganda und Ruanda gilt das auch.
Sie sehen also eine Chance für den Frieden. Und wenn das nicht klappt?
Der UN-Sicherheitsrat hat allen Kriegsparteien eine klare Botschaft vermittelt: Keine Kämpfe. Zunächst muss der Waffenstillstand eingehalten werden. Dann muss die Truppenentflechtung an den Frontlinien beginnen. Um das machen zu können, ist eine UN-Friedenstruppe nötig, die die Frontbereiche überwacht. Das muss bei der Sicherheitsratssitzung am 21./22. Februar entschieden werden.
Man kennt doch die UNO. Das dauert Monate!
Bewaffnete Truppen brauchen Monate. Aber wir brauchen Beobachter, und die können schnell stationiert werden. Der UN-Kongo-Beauftragte Kamel Morjane hat mir gesagt, es stünden acht Beobachterteams bereit; das erste könnte wohl in Pweto stationiert werden (die letzte von den Rebellen eroberte Stadt nahe der Grenze zu Sambia, d. Red.). Das wäre ein Anfang. Wir brauchen grünes Licht von allen. Morjane sagt, er habe es von den ausländischen Kriegsparteien, aber noch nicht von Regierung und Rebellen.
Die Rebellen erkennen ja auch Joseph Kabila nicht als Präsidenten an.
Das ist mir egal. Das Problem ist einfach: Es gibt im Kongo keine Institution, die einen legitimen Präsidenten ermöglicht. Es gibt überhaupt keine Legitimation. Was wir im Kongo brauchen, ist nicht eine legitime Regierung, sondern eine, die Sicherheit und Stabilität garantiert und zu Verhandlungen mit der Gegenseite bereit ist. Wir müssen das akzeptieren, was vorhanden ist.
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