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Gefahr durch Uranmunition

Während die Rufe nach einem Verbot von Uranmunition immer lauter werden, streiten die Wissenschaftler darüber, ob die radioaktive Strahlung zu gesundheitlichen Schäden führt

von WOLFGANG LÖHR

Kein Ende ist abzusehen beim Streit um die Uranmunition. Während Nato-Vertreter weiterhin darauf beharren, dass von der im Kosovo eingesetzten Uranmunition keine Gefahr für Soldaten und Bevölkerung ausgeht, werden die Rufe nach einem internationalem Verbot immer lauter.

Die Fronten scheinen festgefahren zu sein. In der Schweiz ist gar ein öffentlich geführter Streit zwischen Bundespräsident Moritz Leuenberger und dem Chef des in Genf ansässigen Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Jakob Kellenberger, entbrannt. Leuenberger setzt sich für ein Verbot der Uranmunition ein. Kellenberger weigert sich die Verbotsforderung zu unterstützen. Vieles sei noch unklar, heißt es beim IKRK, man habe keine gesicherten Fakten, um einen Verbot der Urangeschosse zu rechtfertigen.

Auch die Wissenschaft kann da kaum weiterhelfen. Denn diese ist in der Frage ebenfalls zerstritten. „Die bisherigen Untersuchungen von Kfor-Soldaten der Bundeswehr haben keinen Hinweis darauf gegeben, dass diese mit angereichertem Uran belastet sind“, verkündete vor kurzem auf einer Wissenschaftspressekonferenz Professor Eckard Werner vom Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit (GSF) in München. Die GSF hatte im Auftrag des Berliner Verteidigungsministeriums (BMVg) untersucht, ob im Kosovo eingesetzte Soldaten der Bundeswehr Uranstaub aufgenommen haben. Ausgewertet wurden Blutproben von 121 Soldaten. Der Vergleich mit einer Kontrollgruppe ergab „keine unterschiedliche Belastung“, berichtete Werner.

Ein Zusammenhang zwischen Uranmunition und den bekannt gewordenen Leukämiefällen bei Kfor-Soldaten wird von den meisten Experten verneint. Die geringe Strahlung könne nicht innerhalb eines solchen kurzen Zeitraumes zu Blutkrebs führen, heißt es. Auch das angeblich gehäufte Auftreten dieser Krankheit bei den Soldaten ist noch kein Beweis für eine radioaktive Verseuchung. Bisher jedenfalls ist die Krankheitsrate noch nicht signifikant höher als in der Normalbevölkerung. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts in Berlin erkranken in Deutschland jährlich fast 9.000 Menschen an Leukämie, darunter rund 600 Kinder unter 15 Jahren. Als Faktoren, die den Ausbruch der Krankheit begünstigen oder gar auslösen, kommen bestimmte Medikamente, so genannte Zytostatika, radioaktive und Röntgenstrahlen sowie chemische Substanzen wie Benzol in Frage.

Auch das Schweizer AC-Laboratorium Spiez, dessen Untersuchungen erst den Hinweis lieferten, dass es sich bei dem für die umstrittene Munition verwendeten abgereicherten Uran zum Teil zumindest um Atommüll aus Atomkraftwerken handeln müsse, kommt zu dem Schluss: „Falls minimale Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden, das heißt kein Betreten von Panzerwracks und kein längerer Kontakt mit herumliegenden Munitionsteilen“, könne das gesundheitliche Risiko eines zeitlich beschränkten Aufenthalts in den belasteten Gebieten als vernachlässigbar gering bezeichnet werden.

Sollte sich jedoch heraustellen, dass in der Uranmunition tatsächlich Reste von Plutonium vorhanden sind, ist das Strahlenrisiko um ein Vielfaches höher anzusetzen. Laut AC-Laboratorium ist die Strahlung von Plutonium pro Masse rund 200.000-mal höher als die von Uran. Die radiotoxische Wirkung ist sogar um den Faktor eine Million höher. Wegen der starken Alphastrahlung zählt Plutoium zu den giftigsten radioaktiven Stoffen. Wenige Mikrogramm wirken tödlich. Das bei einem Aufprall auf einem Panzer verdampfte Plutonium kann über die Lunge in den Körper gelangen und dort Tumore auslösen.

Die GSF wird jetzt erst einmal untersuchen, ob die im Kosovo eingesetzten Granaten Plutonium enthalten. Bei einem positiven Ergebnis werden die Münchener Wissenschaftler wohl auch nicht darum herumkommen, Blutproben von Kfor-Soldaten auf Spuren von Plutonium hin zu untersuchen.

Nicht vergessen dürfe man die Zivilbevölkerung im Kosovo und Serbien, fordert die Vereinigung „Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges“ (IPPNW). Die Zivilbevölkerung hatte kaum Informationen erhalten, und sie ist den Gefahren auch weiterhin ausgesetzt. Dringend für notwendig hält der IPPNW epidemiologische Langzeituntersuchungen, um konkrete Aussagen über die Uran-munition machen zu können.

Was auf jeden Fall in den letzten Wochen offensichtlich wurde, ist eine verheerende Informationspolitik – sowohl zwischen den Führungen der verschiedenen Streitkräfte als auch innerhalb der Truppe. Denn auch der Hinweis, dass die Uranmunition möglicherweise Plutonium enthalte, war für einige Militärexperten nicht überraschend. Denn das US-Energieministerium warnte in einem von der österreichischen Zeitung Der Standard zitierten Schreiben schon vor über einem Jahr: „Wir glauben, dass winzige Mengen an Plutonium im abgereicherten Uran sein können“.

Was auch immer die noch anstehenden Untersuchungen ergeben werden, eins ist jetzt schon abzusehen: Der Streit über die gesundheitlichen Auswirkungen geringer radioaktiver Strahlung wird unerbittlich weitergeführt werden. Schließlich geht um weit mehr als nur um die DU-Munition. Zur Diskussion steht auch die nicht militärische Nuklearindustrie. Die DU-Munition jedenfalls, zu diesem Schluss kommen die beiden Schweizer Nuklearexperten Ernst Schmid und Christoph Wirz vom AC-Laboratorium Spiez, ist aufgrund ihrer lang andauernden radioaktiven Strahlung, mit „zivilen Strahlenschutznormen nicht zu vereinbaren, unabhängig davon, ob objektiv eine Gefährdung von Mensch und Umwelt besteht oder nicht“.

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