: Thierse bei den Guten
Der Bundestagspräsident Wolfgang Thierse besucht drei Vorzeigeprojekte und -unternehmen im Nordosten. Und stellt fest: „Das ist doch schön hier“
von WIBKE BERGEMANN
Von der Lage im Osten der Hauptstadt hat sich gestern Bundestagspräsident Wolfgang Thierse persönlich ein Bild gemacht. Auf seinem Streifzug durch den Nordosten der Stadt besuchte Thierse drei Projekte und Unternehmen, die viel versprechend in die Zukunft weisen. „Ich will sehen, wie man eine konstruktive Debatte über die Entwicklung im Osten führen kann. Denn es gibt viele Menschen, die gerne hier leben“, sagte Thierse, der zu Jahresbeginn gewarnt hatte, dass die wirtschaftliche und soziale Lage des Ostens auf der Kippe stehe.
Alle drei Termine waren positive Beispiele, die Hoffnung geben: In Buch besuchte Thierse die Berliner Landesentwicklungsgesellschaft (BLEG), die sich mit dem Ausbau der dortigen Ortsmitte und dem Neubau eines zentralen Klinikums beschäftigt. Der Ortsteil leidet bisher unter starker Abwanderung: In den vergangenen sieben Jahren ist die Einwohnerzahl um 19 Prozent gesunken. Doch bis Ostern will der Senat über den Standort der Klinik entschieden haben. Ein Forschungszentrum wie in Adlershof soll die Arbeitsplätze im hohen Norden sichern.
In Prenzlauer Berg informierte sich Thierse über ein Wohnprojekt des Vereins „mob – Obdachlose machen mobil“ in der Oderberger Straße. In Eigensanierung entstehen hier Wohnungen für Obdachlose. Das schafft nicht nur billigen Wohnraum für Treber, sondern auch soziale Durchmischung im Kiez: Nebenan steht ein frisch saniertes Haus mit Eigentumswohnungen für bis zu 500.000 Mark. Thierse versprach Unterstützung.
In Lichtenberg-Hohenschönhausen warb die Wohnungsbaugesellschaft Howoge für das Leben in der Platte. Geschäftsführer Eckart Baum meint, dass seine Mieter keineswegs unzufrieden sind, und rechnet vor, dass die Mieten in der sanierten Platte höher sind als im Altbau im Westen der Stadt: „Eigentlich müssten die Leute in den Westen abwandern“, so Eckart. Tun sie aber nicht. Auch die Einfamilienhäuser mitten in der Plattenbausiedlung hätten reißenden Absatz gefunden. Bei der Besichtigung einer Wohnung im achten Stock blickt Thierse vom Balkon auf die Silhouette der umliegenden Plattenbauten: „Das ist doch schön hier.“ Doch auch in den sanierten Hochhäusern bestehe noch immer eine jährliche Mieterfluktuation von 10 Prozent, muss Baum gestehen.
Auf die Frage, ob die besuchten Beispiele Ausnahmen seien, reagiert Thierse überrascht. Schließlich habe er nie behauptet, dass es nicht auch positive Entwicklungen im Osten gebe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen