Gewollter Sex auf der Mülltonne?

Verteidiger im Toros-Prozess will Freispruch / Montag Urteil

Am Montag wird im Prozess um eine Mehrfachvergewaltigung im Imbiss Toros im Bremer Landgericht das Urteil fallen. Gestern hat der erste von zwei Verteidigern plädiert – auf Freispruch.

Begründung: Die Zeugin, die die Tat als Opfer im Juli 2000 angezeigt hatte, sei nicht glaubwürdig. Sie habe über ihren Alkoholgenuss und den Tathergang gelogen. Aus seiner Sicht brauche die Frau Hilfe, denn: „Wenn sie bis an die Grenze der Besinnungslosigkeit alkoholisiert ist, tut sie etwas, was sie sonst nicht tut“, so Verteidiger Erich Joester. Ohne auf den von der Zeugin geschilderten Tathergang einzugehen, folgerte er, die lesbische Frau habe im Rausch Sex mit seinem Mandanten gesucht. Der Verkehr habe einvernehmlich stattgefunden. Hinterher habe die Zeugin das bereut und – noch mit 1,5 Promille Alkohol im Blut – Anzeige erstattet.

Soweit das Motiv. Für seinen Mandanten habe das schlimme Folgen gehabt. „Er verlor die Arbeit und kam in Haft.“ Beide Angeklagten kamen sechs Wochen nach Prozessbeginn aus siebenmonatiger U-Haft frei. Bei der Polizei hatten sie gelogen. Verständlicherweise, so der Verteidiger: „Was würden Sie tun, als verhafteter Ausländer, der nur gebrochen Deutsch spricht?“

Zuvor hatte sich gestern die Nebenklagevertreterin der 29-jährigen Studentin der Forderung der Staatsanwaltschaft nach sieben und sechs Jahren Haft für die beiden angeklagten ehemaligen Mitarbeiter des Sielwall-Imbiss angeschlossen. Wie vorher schon die Staatsanwältin deutete auch sie ein viel monströseres Szenario an, als vor Gericht verhandelt worden war. Danach hätten sich mehr als nur zwei Männer an der über Mülltonnen geworfenen Studentin vergangen. Spermaspuren weisen auf die Anwesenheit eines Dritten hin. Ihre Mandantin, die während des Verfahrens sehr gefasst gewirkt hatte, sei mehrfach zusammengebrochen. Auch betonte Anwältin Karin Gattig, wie abschreckend die Prozessführung auf andere Frauen wirke, die nun zögerten, Vergewaltigungen anzuzeigen. Denn die zum Kerngeschehen glaubwürdigen Aussagen ihrer Mandantin seien unter Verweis auf deren Vorleben ständig angezweifelt worden.

Auch Verteidiger Joester, dessen Mandant erst nach der Sicherung von DNA-Spuren Kontakt mit der Frau einräumte, sagte gestern: „Das Verfahren ist ungewöhnlich gelaufen.“ Schuld seien einseitige Presseberichte sowie „populistische Stimmungsmache der Anklage“. „Die Staatsanwaltschaft hat hier eine schwarze Stunde erlebt“, so Joester. „Unprofessionell“ habe die „angeblich objektivste Behörde der Welt“ einseitig Position bezogen. „Ich habe Ihr Recht nie bestritten, aber Sie haben meines bestritten“, wandte sich Joester an die Sonderstaatsanwältin für Sexualstraftaten, Gabriela Piontkowski. So könne die Einrichtung des Sonderdezernats doch nicht gemeint sein, fuhr Joester im Plädoyer fort; erst später konnte sich die Staatsanwältin gegen diese Vorwürfe verwahren. Joester derweil erklärte, gegen solche Vorgänge „muss ein Verteidiger auf die Barrikaden gehen“. So sei das angespannte Klima im Gerichtssaal entstanden. Er selbst habe anfangs nicht an einen positiven Ausgang für seinen Mandanten geglaubt. Erst als ein von den Imbissleuten früh benannter Zeuge gefunden wurde, habe sich dies geändert. Er widersprach der Staatsanwältin, die schief gelaufene Absprachen erwähnt hatte.

Seiner „Rechte bestritten“ gesehen hatte sich Joester vor allem im Bemühen, während des Prozesses eine frühere Vergewaltigungs-Anzeige der Zeugin gegen einen Bremerhavener Taxifahrer einzubringen. Das Ermittlungsverfahren war eingestellt worden; die Akte wurde bei der Staatsanwaltschaft vorzeitig vernichtet. Während die Verteidiger mit dem Vorfall von vor acht Jahren die Glaubwürdigkeit der Geschädigten zu erschüttern versuchten, habe die Staatsanwältin dies verhindern wollen, obwohl „Waffengleichheit“ herrschen müsse, so Joester. Es werde schließlich auch das Vorleben der Angeklagten berücksichtigt. Dabei sei die Zeugin hier besonders schwach gewesen, sie habe offensichtlich Informationen zurückgehalten. „Ich habe noch nie erlebt, dass eine Frau sich nicht mal an ihre Anwältin erinnern konnte“, so Joester. Tatsächlich hatte die Nebenklägerin, als sie angab, „alles verdrängt“ zu haben, bei ihrer Aussage völlig überfordert gewirkt.

Doch auch der Verteidiger war gestern besorgt: „Das Ergebnis des jetzigen Verfahrens darf nicht sein, dass Frauen Vergewaltigung nicht mehr anzeigen.“ Er sei nach Prozessende zu einer öffentlichen Aufarbeitung bereit. Zugleich ließ er offen, ob er noch gegen die Frau vorgehen werde. ede

Prozess: 11 Uhr, Landgericht